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Sehenswerte Doku “Die Unbeugsamen II” über Frauen in der DDR

Mit Frauen in der Bonner Republik hat sich Thorsten Körner im ersten Teil der “Unbeugsamen” schon beschäftigt. Nun folgt das Pendant für die DDR, das zahlreiche bemerkenswerte Unterschiede offenbart.

Eine Szene in “Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!” von Thorsten Körner bündelt die ganze Tragikomik, die entstehen kann, wenn ein politisches Programm auf die Wirklichkeit trifft. Da spricht Erich Honecker im näselnden Singsang eine Dankesrede. Geehrt werden soll die Leiterin der Abteilung Frauen des Zentralkomitees der SED, Inge Lange, “für ihre Verdienste um die Gleichberechtigung”. Die schwenkende Kamera zoomt langsam auf. Honecker und weitere Männer stehen bildfüllend rechts, auf der anderen Seite harrt einsam die Geehrte. Sie lächelt fein. Ob über diese offensichtliche Asymmetrie, ist nicht überliefert.

Die vom SED-Staat verordnete Gleichberechtigung von Mann und Frau war offenbar eher ein guter Witz. Den auszuhalten und zu kontern, setzte bei der Hälfte der erwachsenen Bevölkerung einen speziellen Humor, viel innere Freiheit und vor allem viel Kraft voraus. Wurde doch von den Frauen erwartet, neben dem oft knochenharten Vollzeitjob in einer zweiten Schicht zuhause auch noch Mann und Kinder zu bespaßen. Nebenbei durften sich viele von ihnen im Beruf anhören, dass sie als Frau für “so eine Arbeit” nicht geeignet seien: riesige Agrarmaschinen zu steuern, in Walzwerken Führungsaufgaben zu übernehmen oder auch Künstlerin zu werden.

In seinem Dokumentarfilm “Die Unbeugsamen” (2021) porträtierte Thorsten Körner bereits Politikerinnen der Bonner Republik. Ganz ohne Off-Kommentar, mit frappierendem Archivmaterial und in den Kulissen von damals stellte dieser Film indirekt Fragen auch ans Jetzt: Wer hat das Sagen, wer darf sprechen? Sind wir bei der Gleichstellung wirklich weitergekommen?

Nun also das Ganze auf ostdeutsch? Nicht ganz. Zwar eröffnet Körner auch in seinem neuen Film Denkräume, indem er die Porträtierten zum Teil an den Stätten vergangenen beruflichen Wirkens befragt, was er mit historischem Bildmaterial ins Gespräch bringt und mit den Erzählungen der Zeitzeuginnen schwingen lässt. Doch es gab in der DDR kein vergleichbares weibliches Polit-Personal und zudem erst am Ende freie Wahlen.

Herzstück des Films sind dabei die Porträts. Frauen wie Brunhilde Hanke, langjährige Oberbürgermeisterin von Potsdam, die Landwirtin und “Heldin der Arbeit” Solveig Leo, die Historikerin und Publizistin Annette Leo, die Malerin Doris Ziegler, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Friedensaktivistin Ulrike Poppe, die Schauspielerin Katrin Sass, die Comiczeichnerin Anke Feuchtenberger und die Tochter und Nachlass-Verwalterin der Malerin Annemirl Bauer, Amrei Bauer: Sie sitzen in Ateliers, einstigen staatstragenden Büros, verwaisten Fabrikhallen. Autobiografische Erzählung und zeitgeschichtliche Analyse verlaufen entlang weiblicher Biografien und sind eingebettet in eine Orientierung schaffende, eher spielerische Kapiteleinteilung.

Den Brüchen und Kontinuitäten von Anpassung, innerem oder auch handfestem Widerstand samt Knasterfahrung über mehrere Generationen zu folgen, ist in vielen überraschenden Momenten ein großes, nie erschöpfendes Vergnügen. Etwa wenn die kettenrauchende Tochter von Inge Lange, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, im Raucherinnen-Bariton vergnügt von ihrer “trickreichen” und “listigen” Oma erzählt. Die habe meist einfach das Gegenteil dessen gemacht, was die strenge, dem Staat dienende Mutter für vernünftig hielt. Doch selbst eine Politikerin wie Inge Lange, die 1972 die Abschaffung des Paragrafen 218 mitverantwortete, stieß an die gläserne Decke. Barbara Mädler, spät berufene DEFA-Regieassistentin, formuliert es so: Die Förderung von Frauen habe eine klare Grenze gehabt. Sie durften nicht in Positionen kommen, “wo sie der politischen Ebene gefährlich werden konnten”.

Körner nimmt diese Biografien unverstellt und offen in den Blick, ohne eine vorgefertigte These über “die Ostdeutsche” bebildern zu wollen. Die Montage von Sandra Brandl arbeitet geschickt mit Widersprüchen und Analogien, die respektvolle, leicht aufblickende Kameraperspektive von Anne Misselwitz auf die Porträtierten korrespondiert oder kollidiert mit dem Interesse an sozialistischen Wand-Mosaiken mit ihren utopistischen Buntheiten bei gleichzeitig tradierten Geschlechterbildern.

Noch im Titel versteckt sich eine Verbeugung vor einer großen Frau. Körner zitiert darin Maxie Wanders im Osten wie im Westen zum Kultbuch avancierten Porträtband “Guten Morgen, du Schöne” von 1977. Wander starb kurz nach dem Erscheinen ihres ersten Buches; deshalb gibt es kaum Archivmaterial von ihr. Körner geht auch mit dieser Leerstelle um, indem er Wander “mit ihrer Methode, ihrem Ohr ganz gegenwärtig” sein lässt: ihrer Fähigkeit, ihren Gesprächspartnerinnen sehr genau zuzuhören und die Aussagen zu einer eigenständigen Dramaturgie zu verdichten. Ja, westdeutsche Männer (mit Ost-Verwandtschaft) können das auch.

Ein Bonmot der Prenzlauer Berger Künstlerin Annemirl Bauer, das bereits im ersten “Unbeugsamen”-Film zitiert wurde, erhebt Körner nun zum Motto: “Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern”. Diesen Staffelstab reicht der neue Film charmant und energisch ans heutige Publikum weiter. Denn ohne die Spezifität weiblicher ostdeutscher Lebensläufe abzuflachen, schafft er Andockmöglichkeiten für alle, die einmal zuhause waren und es nicht mehr sind; die etwas erhofften, das verschwunden ist, noch bevor es sich hätte realisieren lassen. Und die weitermachen, mit einem traurig-amüsierten, skeptischen oder verknallten Blick auf all die Widersprüche.