Gewalt statt Rettung: Mehrere Seenotrettungsorganisationen wollen deshalb nicht mehr mit Libyens Leitstelle sprechen. Hinter der Küstenwache stecken Gelder aus Brüssel.
Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer wollen sich nicht weiter mit der Seenotrettungsleitstelle in Libyen austauschen. Denn seit Jahren nehme Gewalt durch die libysche Küstenwache gegen Geflüchtete und Helfer zu, gab das neu gegründete Bündnis Justice Fleet am Mittwoch in Brüssel bekannt. Sie forderten die EU auf, ihre Zusammenarbeit mit Libyen zu beenden. Migrationskontrolle sollte nicht Verbrechen gegen die Menschlichkeit beinhalten, hieß es.
Italien und die EU drängten die Seenotretter zuletzt immer mehr darauf, mit den libyschen Akteuren zu kommunizieren, während gleichzeitig zahlreiche Gewalttaten der libyschen Küstenwache auch in internationalen Gewässern dokumentiert sind, etwa Schüsse auf Rettungsboote und gewalttätiges Verschleppen von Geflüchteten nach Libyen. Dort gebe es eine Art Internierungsindustrie, so Allison West vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte. In den Lagern drohen den Geflüchteten laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit.
Für die EU ist die libysche Küstenwache Partner bei der Grenz- und Migrationskontrolle im Mittelmeer. Sie hat die libysche Rettungsleitstelle mit aufgebaut und unterstützt und finanziert die Küstenwache. Die Seenotretter sehen die libyschen Akteure als Teil eines gewalttätigen Regimes in dem nordafrikanischen Krisenland. Sie werfen der EU Mitverantwortung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Libyen und die EU handelten entgegen internationalem Recht.
Die Justice Fleet rechnet durch ihr Beenden der operativen Kommunikation mit der libyschen Rettungsleitstelle mit Geldstrafen und Festsetzungen ihrer Schiffe sowie mit Gerichtsprozessen. Vergangene Verfahren gaben ihnen in ähnlichen Fragen recht: So sehen italienische Gerichte die libysche Küstenwache und -leitstelle nicht als legitime Rettungsakteure im zentralen Mittelmeer.
Nach eigenen Angaben haben die 13 Seenotrettungsorganisationen der Justice Fleet, darunter Sea-Eye, Sea-Watch und RESQSHIP, in den vergangenen zehn Jahren über 155.000 Menschen im Mittelmeer gerettet.