Entsetzen weltweit: Für sechs weitere von der Hamas verschleppte Geiseln kam die Rettung zu spät. Die israelische Armee barg ihre Leichen aus einem Tunnel. Die Debatte um die Verantwortung im Land hält an.
Israelische Sicherheitskräfte haben die Leichen der Geiseln Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Hersh Goldberg-Polin, Alexander Lobanov, Almog Sarusi und Ori Danino aus dem Gazastreifen geborgen. “Nach unserer ersten Einschätzung wurden sie kurz vor unserer Ankunft von Hamas-Terroristen brutal ermordet”, sagte Armeesprecher Daniel Hagari vor Medien. Am Sonntagnachmittag gab es erste Berichte über militärische Rückschläge von israelischer Seite.
Die Toten befanden sich demnach in einem Tunnel in Rafah im Süden des Gazastreifens. Damit wurden sie rund einen Kilometer von dem Gebiet entfernt aufgefunden, aus dem am Dienstag der entführte Beduine Qaid Farhan Alkadi lebend befreit worden war.
Premierminister Benjamin Netanjahu zeigte sich schockiert und kündigte an, dass die Hamas den Preis zahlen werde: “Wir werden euch verfolgen, wir werden euch finden und wir werden abrechnen.” Der israelischen Bevölkerung versprach Netanjahu, man werde nicht nachlassen mit den Bemühungen, die Geiseln zu befreien. Nach Angaben der Zeitung “Haaretz” sprach er persönlich mit den Familien mehrerer Toter. Zwei Familien lehnten ein Gespräch laut “Times of Israel” ab.
Unter den Toten ist auch die Deutsch-Israelin Carmel Gat (40). “Seit dem 10.7. hatten wir in der Botschaft an der Seite ihrer Familie für ihre Freilassung gekämpft. Jetzt herrscht nur noch tiefe Traurigkeit”, schrieb der deutsche Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert, auf der Plattform “X”. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich entsetzt über die Toten und erneuerte die Forderung nach einem Waffenstillstand.
Die Nachricht über die Ermordung der Geiseln erschüttere “das Herz einer ganzen Nation”, erklärte der israelische Präsident Isaac Herzog auf X. Er entschuldigte sich im Namen des Staates, dass es nicht gelungen sei, die Entführten sicher nach Hause zu bringen. Hamas habe erneut gezeigt, “dass ihre Bereitschaft zum Morden und zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungebrochen ist”.
Das “Forum der Geisel- und Vermisstenfamilien” erhebt derweil schwere Vorwürfe gegen die Regierung. Eine Vereinbarung über die Rückgabe der Geiseln liege seit über zwei Monaten auf dem Tisch. “Ohne die Verzögerungen, die Sabotage und die Ausreden wären diejenigen, deren Tod wir heute Morgen erfahren haben, wahrscheinlich noch am Leben”, heißt es in einer Stellungnahme.
Der britisch-israelische Analyst und Friedensaktivist Gerschon Baskin, der maßgeblich an den Verhandlungen um die Freilassung des entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit (2006) beteiligt war, kritisierte erneut den Verhandlungsentwurf. Es sei “ein schlechter Deal, der den Krieg verlängern und nicht alle Geiseln nach Hause bringen wird”. Am Samstag hatte Baskin öffentlich gemacht, dass er im Namen der Geiselfamilien direkte Verhandlungen mit der Hamas geführt habe.