Über die Musik suchen Schülerinnen und Schüler in Ulm einen neuen Zugang zu Holocaust und Verfolgung jüdischer Menschen in der NS-Zeit. Bei einem Gesprächskonzert am Dienstag (24. September) im Ulmer Kultursaal „Roxy“ werden sich über 600 Jugendliche mit den Werken vergessener jüdischer Komponisten aus der Holocaust-Zeit befassen. Zu ihnen gehören Moritz Henle (1850-1943), Oberkantor an der israelischen Tempelgemeinde Hamburg, und Peter Ury (1920-1976), der 1939 vor den Nazis nach England floh. David Ury, ein Sohn Peter Urys, der in London lebt, wird bei der Veranstaltung sprechen.
Im Mittelpunkt des Konzerts steht ein Brief der jüdischen Pianistin Salome Salomea Ochs Luft, den sie kurz vor ihrer Ermordung schrieb. Er rufe zur Rache für die NS-Opfer auf, sagte Till Andlauer, Organisator der Veranstaltung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Salomeas Großneffe, der Klarinettist Nur Ben Schalom, habe diesen Racheruf in eine musikalische Initiative für Verständigung und Versöhnung umgedeutet und nach vergessenen Melodien aus dem Holocaust zwischen 1933 und 1945 geforscht. Durch eine Vertonung Urys wurde wahrscheinlich auch das bisher noch unbekannte Gedicht „Du Kind mit langen Haaren“ von Erich Fried wieder entdeckt.
Am Gesprächskonzert können nur Schulklassen teilnehmen, die sich vorher in Projekten mit dem Thema Musik und Holocaust befasst haben. Beiträge kamen von neun Ulmer Schulen, darunter ein Video zu dem Komponisten Henle vom Sophie-Scholl-Gymnasium. An den Projekten, wie etwa fiktiven Briefen, haben sich Andlauer zufolge auch muslimische Schüler beteiligt. Zum Abschluss der Veranstaltung wird der „Ring politischer Jugend“ Ulm zu Engagement für Demokratie und Rechtsstaat aufrufen.
Das Bildungsprojekt ergänzt ein Konzert der „Lebensmelodien“ am Mittwoch (25. September) in der Ulmer Pauluskirche, bei freiem Eintritt. Die Kosten von rund 30.000 Euro werden hauptsächlich durch Zuschüsse der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Gesamtkirchengemeinde Ulm, der Stadt Ulm und der Lechler-Stiftung getragen. Ein Überschuss, etwa durch Spenden, soll unter anderem der Stiftung Erinnerung Ulm und der Amadeu Antonio Stiftung zugutekommen. Das „Lebensmelodien-Orchester“ trat im April 2019 zum ersten Mal bei einem Gottesdienst zum Jahrestag des Aufstands im Warschauer Getto in der evangelischen Apostel-Paulus-Kirche in Berlin an die Öffentlichkeit. Es folgte eine ganze Reihe von Konzerten, unter anderem im Deutschen Bundestag. (2126/22.09.2024)