Erstmals kommt in Norddeutschland eine Schmerzensgeldforderung eines Betroffenen von sexualisierter Gewalt an ein katholisches Bistum vor Gericht. Der Prozess beginnt am 8. November vor dem Landgericht Hildesheim, wie ein Gerichtssprecher am Freitag mitteilte. Ein heute 50-jähriger Mann aus Hildesheim hatte das Bistum auf Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro plus Zinsen verklagt. Er beschuldigt einen mittlerweile verstorbenen Pfarrer, ihn in den Jahren 1984 bis 1985 sexuell missbraucht zu haben.
Die Klage wird von der achten Zivilkammer des Landgerichtes mündlich verhandelt, erläuterte der Sprecher. Das Bistum hatte zuvor beim Landgericht beantragt, die Klage des Mannes abzuweisen, weil aus Sicht der Kirche die Schilderungen des Betroffenen nicht nachvollzogen werden könnten. Zudem hieß es, einige der geschilderten Sachverhalte seien nicht korrekt, und der Anspruch sei verjährt. Dieser Linie ist das Gericht nicht gefolgt.
Im Juni 2023 hatte das Landgericht Köln einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro an Schmerzensgeld zugesprochen. Der Mann war in den 1970er-Jahren als Messdiener von einem Pfarrer missbraucht worden. Es war bundesweit das erste Urteil seiner Art.
Bislang hatte das Bistum Betroffenen in einem besonderen Verfahren sogenannte Anerkennungsleistungen in Höhe von bis zu 50.000 Euro gezahlt, die von einer „Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen“ (UKA) festgelegt wurden. Dabei gibt es eine Plausibilitätsprüfung, aber kein juristisches Beweisverfahren. Auch der 50-jährige Betroffene aus Hildesheim hat dem Bistum zufolge diese Summe bereits erhalten.
Einen außergerichtlichen Vergleich hatte das Bistum abgelehnt, um das etablierte, unabhängige Verfahren der Anerkennungsleistungen nicht zu beschädigen. Zudem sei das Bistum verpflichtet, sorgsam mit Kirchensteuermitteln umzugehen, da alle Zahlungen an Betroffene mit diesen Mitteln getätigt würden, hieß es.
Der Kläger betonte hingegen, die bereits gezahlten 50.000 Euro seien angesichts des Leids, das er erfahren habe, viel zu gering. Er gehe davon aus, dass er wegen der Folgen des Missbrauchs nicht bis zur Rente arbeiten könne. „Und ich möchte nicht in Altersarmut leben.“