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Rushdie verrät Mittel gegen Angst – Cornelia Funke über den Tod

Welchen Sinn hat Literatur in Zeiten des Krieges? Was denken berühmte Schriftsteller über das Böse, die Angst und den Tod? Salman Rushdie, Cornelia Funke und Lizzie Doron gaben Antworten bei der Buchmesse-Literaturgala.

Salman Rushdie will sein Leben nicht von der Angst dominieren lassen. Auf die Frage, wie er mit der Furcht vor weiteren Anschlägen umgehe, sagte der von Islamisten bedrohte Schriftsteller am Samstagabend bei der Literaturgala der Frankfurter Buchmesse: “Stecke die Angst in ein kleines Kästchen und stelle es in eine Ecke des Raumes. Dann genieße deinen Tag.”

Rushdie sagte, er lebe seit rund 30 Jahren mit der Angst. 1989 hatte ihn der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini mit einer Fatwa zum Tode verurteilt und Rushdies Roman “Die satanischen Verse” verdammt. Jahrelang lebte der Autor unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken. Im August 2022 wurde er in den USA auf offener Bühne mit einem Messer angegriffen. Rushdie (76) ist seitdem auf dem rechten Auge blind.

Die “Literaturgala” war Rushdies einziger Auftritt bei der Buchmesse vor Lesepublikum – rund 1.000 Menschen waren in das Congress Center der Messe Frankfurt gekommen. Sie verabschiedeten Rushdie nach seinem Auftritt mit tosendem Applaus. Der indisch-britische Autor soll am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Für Rushdie ist die Funktion der Literatur klar. Zuerst gehe es darum, “Schönheit zu erschaffen”, sagte er. Dies gelte “besonders in hässlichen Zeiten” von Kriegen.

Über das Dunkle und den Umgang mit Ängsten schreibt auch die Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke in ihrer weltweit erfolgreichen “Tintenherz”-Reihe. Doch woher kommt das Böse im Menschen? “Ich glaube, dass das, was böse in uns wird oder zerstören oder verletzen möchte, etwas Verletztes in uns ist und etwas, was zerbrochen ist”, sagte Funke bei der Literaturgala. Wenn man sich aber “auf die Anderen, auf die Welt, auf die Schönheit und auf das Licht der Welt” einlasse, könne man diese zerbrochenen Dinge heilen und das Böse dadurch beherrschen und vertreiben. Sie hoffe, dass sie damit nicht zu optimistisch denke, fügte sie hinzu.

Doch warum schreibt Funke gern Romane, die so düster sind? “Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leser wollen, dass man von all dem spricht, was ihnen Angst macht, von all dem, was Schmerzen bereitet und von der Schwierigkeit der menschlichen Existenz.” Die Menschen wollten durch Kunst und Literatur “einen Spiegel haben, in dem wir das Leben und die Welt ein bisschen klarer sehen – und da muss das Dunkle natürlich genauso vorkommen wie das Helle”.

Die 64-jährige Schriftstellerin ist mit schmerzvollen Erlebnissen vertraut. 2006 starb ihr Ehemann an Krebs. Auf die Frage, was sie über den Tod hinwegtröste, sagte Funke: “Ich glaube, der Tod ist nur eine Tür und dahinter ist ein weiteres Abenteuer.”

Funke sprach anders über den Tod als die israelische Schriftstellerin Lizzie Doron, deren Mutter eine Holocaust-Überlebende war. Doron sagte bei der Literaturgala angesichts des eskalierenden Krieges in Nahost: “Ich bin am Boden zerstört, ich habe Angst und fühle mich staatenlos. Ich denke, dass ich mein Land verloren habe.” Dann hielt die 70-jährige Friedensaktivistin ein Plakat hoch, auf dem unter der Schlagzeile “Entführt” eine israelische Familie abgebildet war.

Sieht Lizzie Doron so wie Salman Rushdie das Schreiben als ein Erschaffen von Schönheit an? “Ich habe dabei nie an Schönheit gedacht”, sagte die israelische Autorin. “Ich will ein tieferes Verständnis dafür bekommen, warum wir Menschen jemanden töten, der unter anderen Lebensumständen unser Nachbar oder unser Freund sein könnte.”