Düsseldorf, Berlin (epd). Wenn deutsche Rentner über die Grenze nach Österreich blicken, können sie blass werden vor Neid. Denn in der Alpenrepublik erhalten die meisten Senioren deutlich mehr Geld aus der staatlichen Rentenkasse als hierzulande. Den Grund hierfür erklärt Florian Blank, Rentenexperte im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans Böckler Stiftung: "In Österreich ist das Ziel einer Rente, die den Lebensstandard sichert, weitgehend Konsens. In Deutschland wird hingegen das Rentenniveau systematisch abgesenkt – vor allem mit dem Argument, dass zu hohe Beitragssätze dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden würden."
Nach Angaben der österreichischen Bundesanstalt Statistik betrug die durchschnittliche Bruttorente der Männer, die im Jahr 2016 in Altersente gingen, 2.001 Euro. In Deutschland lag der entsprechende Vergleichswert bei 1.253 Euro. Neurentner in Österreich erhalten also um 60 Prozent höhere Bezüge aus der gesetzlichen Rentenkasse. Woher kommt der eklatante Unterschied? Wie kann sich Österreich trotz einer ähnlichen Bevölkerungsstruktur so großzügige Altersbezüge leisten?
Rentenformel "80/45/65"
Entscheidend ist: Beide Länder haben ihre Rentensysteme seit der Jahrtausendwende reformiert – doch mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. In Österreich wirkt die griffige Rentenformel "80/45/65". Soll heißen: Wer mit 65 in Rente geht und 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, erzielt rund 80 Prozent des Bruttolohnes, den er im Durchschnitt seines Berufslebens erzielt hat. In Deutschland liegt der vergleichbare Wert dagegen nur bei 59 Prozent.
Auch in Österreich gibt es echte Altersarmut. "Sie ist aber bedeutend geringer als in Deutschland", sagte Samuel Beuttler-Bohn, Rentenexperte beim Sozialverband VdK, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn in der Alpenrepublik gewährt der Staat eine sogenannte Ausgleichszulage, wenn die Rentenansprüche unterhalb eines bestimmten Niveaus liegen. Im Jahr 2016 betrug die Ausgleichszulage 883 Euro für Alleinstehende und 1.324 Euro für Ehepaare.
Rentenbeitrag höher als in Deutschland
In Deutschland liegt die Grundsicherungsschwelle dagegen bei rund 838 Euro. Personen, deren Ruhegeld darunter liegt, müssen Grundsicherung beantragen, um einen Aufschlag auf ihre Rente zu bekommen, so dass sie dann 838 Euro erreichen.
Hohe Altersbezüge haben auch eine Kehrseite: Sie müssen finanziert werden. In Österreich liegt der Rentenbeitrag mit 22,8 Prozent deutlich höher als in Deutschland, wo 18,6 Prozent zu zahlen sind. Dabei tragen allerdings die Unternehmen in Österreich mit 12,55 Prozent den größeren Teil der Beitragslast, die Beschäftigten nur 10,25 Prozent. In Deutschland sollen die Arbeitnehmer noch zusätzlich mit vier Prozent ihres Einkommens privat vorsorgen. Für diesen Zweck führte die Bundesregierung im Jahr 2002 die Riester-Rente ein.
Versichertenkreis deutlich größer
Österreicher bekommen nicht nur höhere Altersbezüge, sie erhalten sie auch früher. Während hierzulande das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre steigt, liegt es in Österreich weiter bei 65 Jahren. Für Frauen liegt die Altersgrenze sogar noch bei 60 Jahren, erst ab 2024 wird sie langsam auf 65 Jahre ansteigen.
Mehr Geld in der Kasse hat Österreichs Rentenversicherung aber noch aus einem anderen Grund: Der Versichertenkreis ist deutlich größer als in Deutschland. In einem lange dauernden Prozess wurden seit der Nachkriegszeit immer mehr Gruppen in die Versicherung einbezogen, auch Unternehmer, Freiberufler, Soloselbstständige und Honorarkräfte. Seit 2005 werden auch neue Beamte in die gesetzliche Rentenkasse integriert.