Düsseldorf – Nach Berichten über die Geburt erster genmanipulierter Babys in China hat sich der rheinische Präses Manfred Rekowski gegen Genexperimente am Menschen ausgesprochen. „Der Mensch kann sich nicht selbst erschaffen, ohne damit seine eigene Würde zu gefährden“, schrieb der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland in seinem Präsesblog. Immer dann, wenn sich Staaten, Sekten und auch Wissenschaftler auf den Weg gemacht hätten, den neuen Menschen auszurufen, sei das schief gegangen und habe Leid ausgelöst.
Ein chinesischer Forscher hatte in einem bei Youtube verbreiteten Video erklärt, er habe mit Hilfe der CRISPR-cas9-Methode Erbgut von Embryonen so verändert, dass sie immun gegen das HI-Virus seien und somit nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge mit dem manipulierten Erbgut sollen vor einigen Wochen zur Welt gekommen sein. Die Forschung des Chinesen wurde noch nicht bestätigt.
„Ein Mensch darf nicht zum Gegenstand eines Experiments werden“, betonte Rekowski. Mögliche Folgen eines solchen Eingriffs seien noch gar nicht zu überschauen. „Folgewirkungen zeigen sich vielleicht erst in einigen Jahrzehnten oder auch erst in folgenden Generationen“, warnte der Repräsentant von mehr als 2,5 Millionen rheinischen Protestanten.
Die weltweite Gemeinschaft der Religionen, der Wissenschaftsinstitutionen und der politischen Bündnisse sei gefragt, eindeutig Stellung zu beziehen, dass hier eine rote Linie überschritten worden und Forschung in dieser Richtung abzulehnen sei. „Vor einem Missbrauch der Biotechnologien gibt es kaum Schutz“, schrieb Rekowski. Bei der Frage des Klonens von Menschen sei es allerdings gelungen, eine Ablehnung auf breiter internationaler Basis zu organisieren.
Der Wiener evangelische Sozialethiker Ulrich H. J. Körtner stellte grundsätzlich die Frage, „wie die Gesellschaft insgesamt in die komplexe biopolitische und bioethische Debatte eingebunden werden kann“. Die gesellschaftlichen und kulturellen Folgen, wenn das Leben immer mehr als technisches Produkt statt als Gabe verstanden werde, „seien gravierend“, erklärte der Theologieprofessor in Wien. Wissenschaftsfreiheit sei ein hohes Gut, aber „sie hat ethische Grenzen“.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warnte vor einem „Einstieg in die Menschenzüchtung“. So „drastisch muss man es sagen“, erläuterte er am Rande der Herbsttagung der bayerischen Landessynode in Garmisch-Partenkirchen. Es brauche nun dringend eine Debatte um die Grenzen solcher Forschung, sagte der bayerische Landesbischof. Der Ethikexperte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Anton Losinger, forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ für die Biogenetik „ähnliche Schutzstandards wie bei den Menschenrechten“.
Der chinesische Wissenschaftler verteidigte inzwischen seine Arbeit. Er entschuldigte sich aber zugleich, eine globale Kontroverse ausgelöst zu haben. Wie die in Hongkong erscheinende Zeitung „South China Morning Post“ berichtete, beendet die chinesische Regierung die Genforschung von He Jiankui. Das Wissenschaftsministerium habe Forschungseinrichtungen aufgefordert, alle wissenschaftlichen Projekte des Genforschers einzustellen. Vize-Wissenschaftsminister Xu Nanping kündigte Medienberichten zufolge eine Bestrafung der Forscher an, die an Hes Projekt beteiligt waren. „China hat die Gen-Bearbeitung bei menschlichen Embryonen für reproduktive Zwecke verboten“, sagte Xu den Angaben zufolge. „Die Experimente haben gegen Gesetze und Vorschriften in China verstoßen.“ Sein Ministerium sei strikt gegen Genmanipulation bei Babys. epd/UK
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Rote Linie überschritten
Scharfe Kritik aus den Kirchen nach der Geburt mutmaßlich erster genmanipulierter Babys in China. Medienberichten zufolge beendet die chinesische Regierung die Forschung