Mit der Ausbreitung invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt sich das in Güstrow ansässige Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG). Die LUNG-Mitarbeiterinnen Anja Abdank (Pflanzen) und Kathrin Lippert (Tiere) sagten dem Evangelischen Pressedienst (epd), welche Arten in MV besonders schädlich sind und was getan wird, um ihre Ausbreitung einzudämmen.
epd: Welche invasiven Pflanzenarten sind in MV besonders schädlich?
Anja Abdank: Zehn invasive Pflanzenarten kommen derzeit bei uns in der freien Landschaft vor, davon gelten die Schmalblättrige Wasserpest, der Riesen-Bärenklau, das Drüsige Springkraut und die Flügelknöterich-Arten als etabliert. Etabliert bedeutet, dass sie weit verbreitet sind. Sie wachsen schnell und können die standort-typische Vegetation verdrängen. Meist passiert das aber in nährstoffreichen und an vom Menschen schon beeinflussten Standorten, wie etwa Wegrändern, Siedlungen oder Gewässerufern. Dadurch kann zum Beispiel die Stabilität von Uferbauten beeinträchtigt werden oder es entstehen Probleme bei der Bewirtschaftbarkeit von Grünland.
Das Ausmaß der Schadwirkungen wird in MV lediglich für den Riesen-Bärenklau, das Drüsige Springkraut und die Flügelknöterich-Arten als erheblich eingestuft.
epd: Welche invasiven Tierarten sind in MV besonders schädlich?
Kathrin Lippert: Bei den invasiven Tierarten gelten neun als etabliert. Davon sind Waschbär, Marderhund, Nutria und Bisam wegen ihrer Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt bedeutsam. Der Waschbär verursacht erhebliche Schäden bei bodenbrütenden Vogelarten sowie bei der vom Aussterben bedrohten Europäischen Sumpfschildkröte. Er kann auch Verluste bei Fledermäusen verursachen. Und er kann den ebenfalls aus Nordamerika eingeschleppten Spulwurm auf Menschen übertragen und hat damit negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Auch der Marderhund ist gefährlich für bodenbrütende Vögel, Amphibien und die Schlüpflingen der Europäischen Sumpfschildkröte. Als Endwirt des Fuchsbandwurms hat er negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Nutrias können die Röhrichtbestände entlang von Gewässern erheblich reduzieren, wodurch wiederum eine geringere Brut- und Schutzmöglichkeit für Wasservögel, Fische und Amphibien zur Verfügung steht. Gebietsweise gefährden Nutrias die lokalen Populationen von Großmuscheln. Vor allem durch ihre Grabtätigkeiten in die Ufer können Nutrias die Standsicherheit von Dämmen und Deichen in hohem Maße gefährden.
Bisams können durch ihre Fraßtätigkeit Ufer- und Schwimmblatt- bzw. Unterwasserpflanzen schädigen. Insbesondere im Winter ernährt sich diese Art zusätzlich von Muscheln und Krebstieren. Bei ohnehin gefährdeten, nur lokal vorkommenden Beständen wie etwa von Flussperlmuschel, Gemeiner Flussmuschel oder Edelkrebs ist dies problematisch. Bisams können Zwischenwirt für den Fuchsbandwurm sein und damit den Infektionskreislauf dieses Parasiten in Gang halten. Die Auswirkungen der Bisamaktivitäten auf den Hochwasserschutz und die Gewässer sind erheblich. Durch Grabetätigkeit und die Anlage umfangreicher Erdbauten kommt es zu Destabilisierungen bis hin zu Unterspülungen und Einstürzen in Ufer- und Deichbereichen, an Verkehrswegen und an gewässerangrenzenden Nutzflächen.
epd: Was wird getan, um die Ausbreitung dieser invasiven Arten einzudämmen?
Abdank und Lippert: In einer frühen Phase der Invasion geht es darum, dies umgehend zu notifizieren. Zudem sind diese Arten sofort und dauerhaft zu beseitigen.
Für bereits etablierte Arten werden wirksame Managementmaßnahmen entwickelt, um die negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt, auf natürliche Lebensräume und gegebenenfalls auf die menschliche Gesundheit oder die Wirtschaft zu minimieren und die Ausbreitung der Populationen einzudämmen. Es gilt der Grundsatz, dass jede Maßnahme in Kosten und Nutzen abgewogen werden muss.
epd: Können Sie konkrete Maßnahmen nennen?
Abdank: In MV wurden im Berichtszeitraum 2019 bis 2024 beispielsweise beim Riesen-Bärenklau Blütenstände entfernt, Vegetationskegel abgestochen, Teile ausgestochen, Jungaufwuchs gemulcht oder Pestizide eingesetzt. Beim Drüsigen Springkraut wurden Dolden abgeschnitten, Vegetationskegel abgestochen, Pflanzen ausgerissen und abgemäht.
Lippert: Die Nutria wurde in den Verbreitungsschwerpunkten im Westen und Südwesten des Landes bejagt. Waschbär und Marderhund wurden in Brutvogelkolonien (insbesondere auf Inseln) sowie im Vorkommensgebiet der Europäischen Sumpfschildkröte gezielt bejagt bei gleichzeitiger Optimierung der Habitatstrukturen. Zudem wurden Überkletterschutzmanschetten an Horst- und Höhlenbäumen angebracht, um den Waschbär fernzuhalten. Bisams wurden mit Fallen durch erfahrene Bisamfänger bekämpft.
epd: Welche Probleme sieht das LUNG noch bei invasiven Arten?
Abdank und Lippert: Aus Sicht des LUNG sollte auf Landesebene das Thema verstärkt in die Öffentlichkeit gebracht werden, da die Ansiedlung und weitere Verbreitung der invasiven gebietsfremden Arten größtenteils durch menschliches Handeln verursacht wird. Das LUNG hat beispielsweise versucht, auf diese Problematik mit einem Rundschreiben an alle Zoofachhandlungen des Landes einzuwirken, da die Ausbreitungswege zum Teil auch vom Kauf in diesen Einrichtungen und anschließender „Auswilderung“ eröffnet oder intensiviert worden sind.
epd: Was raten Sie den Einwohnern von MV?
Abdank und Lippert: Aufmerksame Bürgerinnen und Bürger können invasive Arten im Melde-Portal des LUNG melden (https://www.lung.mv-regierung.de/fachinformationen/natur-und-landschaft/artendatenbank/meldeportal-arten/). Über die Problematik der invasiven gebietsfremden Arten kann sich die Öffentlichkeit zudem auf der Seite des Bundesamtes für Naturschutz: https://neobiota.bfn.de/ sowie über die LUNG-Webseite: https://www.lung.mv-regierung.de/fachinformationen/natur-und-landschaft/artenschutz/invasive-arten/ informieren.