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Rheinische Kirche fordert mehr Sachlichkeit in Migrationsdebatte

In der politischen Debatte über Flucht und Migration fordert die Evangelische Kirche im Rheinland mehr Sachlichkeit sowie „realistische, faktenbasierte und an den Menschenrechten orientierte Lösungen“. Geflüchtete Menschen für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren, sei „zerstörerisch“, erklärte das Kirchenparlament am Freitag in Bonn. Die Abweisung von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen, die Auslagerung von Asylverfahren, dauerhafte Grenzkontrollen und eine dauerhafte Inhaftierung von Ausreisepflichtigen lehnt das Leitungsorgan der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland ab.

Die Debatte über innere Sicherheit „nach den jüngsten schrecklichen Attentaten“ sollte zudem nicht mit der Debatte um Flucht und Migration vermischt werden, hieß es. Kirchenrat Rafael Nikodemus erklärte, nach Attentaten herrsche oft eine Stimmung von „jetzt muss gehandelt werden“. Abweisungen an Grenzen hätten damit aber nichts zu tun, sie seien Scheinlösungen. „Wir müssen die Regeln, die es gibt, anders anwenden“, betonte der Theologe.

„Die Landessynode lehnt insbesondere die Abschiebung von gut integrierten geflüchteten Menschen ab“, heißt es in der Erklärung. Die ständige Angst vor Abschiebung auch von gut integrierten Geflüchteten bedeute für die Betroffenen eine unzumutbare Belastung. Mit Blick auf das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) forderte das Kirchenparlament der rund 2,1 Millionen Protestanten zwischen Niederrhein und Saar, humanitäre und menschenrechtliche Standards zu beachten.

Zudem appellierten die Synodalen an die Politik, Integrationsgebote auszubauen und nicht einzuschränken. Dafür müssten Kommunen und freie Träger mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Es brauche unter anderem das Recht auf Familien- und Geschwisternachzug für Schutzberechtigte, einen leichteren Zugang für sie zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsangeboten sowie einen Ausbau der psychosozialen Versorgung. Die Synode dankte den Engagierten in der Flüchtlingsarbeit und denjenigen, die sich gegen einen weiteren Rechtsruck in der politischen Diskussion wehren.

Im 15. Bericht an die Synode zum Flüchtlingsschutz an den EU-Außengrenzen kritisieren die Autorinnen und Autoren, dass im gesellschaftlichen Diskurs in Europa und Deutschland nüchterne, sachliche, einordnende und verbindende Zwischentöne fehlten. Die EU falle beim Flüchtlingsschutz und bei der Bekämpfung der Fluchtursachen regelmäßig hinter ihre Ansprüche zurück. „Die politischen Maßnahmen konzentrieren sich häufig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Abschottung und verstärkte Grenzkontrollen, anstatt auf solidarische Lösungen innerhalb der EU“, kritisieren die Verfasser des Berichts.