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Regierungen im Sahel immer autoritärer

Menschenrechtler sind alarmiert. Im Sahel nimmt die Gewalt gegen Zivilisten durch islamistische Terrorgruppen weiter zu. In der Kritik stehen aber die staatlichen Sicherheitskräfte von Mali, Niger und Burkina Faso.

Die Rede ist von 14 Toten, darunter sind auch Kinder, die am Dienstag bei Drohnenangriffen der malischen Armee auf die Stadt Kidal im Norden ums Leben gekommen sind. Die Streitkräfte bestätigen auf dem Kurznachrichtendienst X den Angriff, der sich gegen Terroristen gerichtet haben soll. Ziel war das frühere Camp der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (Minusma). Im Rahmen des Abzugs aus Mali, der bis Jahresende stattfinden soll, hatte sie es erst eine Woche zuvor verlassen.

Der Zusammenschluss bewaffneter Rebellengruppen, der “Ständige strategische Rahmen für Frieden, Sicherheit und Entwicklung” (CSP-PSD), nennt in einer Pressemitteilung den Angriff “feige” und spricht von einer “blutrünstigen Junta”. Getroffen wurden Kinder, die sich auf dem Gelände aufhielten. Kidal gilt als Hochburg von Tuareg-Rebellengruppen. Diese kämpften seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 mehrfach für die Unabhängigkeit von Mali.

In dem Land ist nach dem Putsch im August 2020 die Übergangsregierung von General Assimi Goita an der Macht. Den Staatsstreich begründete sie mit der schlechten Sicherheitslage. Während der jüngsten Tuareg-Rebellion Anfang 2012 breiteten sich mehrere Gruppierungen ungehindert aus. Heute sind vor allem die “Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime” (JNIM) und der “Islamische Staat der größeren Sahara” (EIGS) aktiv.

Bereits vor dem Drohnenangriff in Kidal kritisierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass Armee und Terrorgruppen seit April zahlreiche Zivilisten getötet hätten. Für den Tod von mehr als 160 Personen sei JNIM verantwortlich, während 40 weitere von der Armee getötet wurden. Sie kooperiert seit 2021 mit der russischen Wagner-Miliz.

ACLED, eine nichtstaatliche Organisation in den USA, die Daten zu Konflikten weltweit sammelt, dokumentiert eine ähnliche Tendenz: Zwischen Januar und August sei die Zahl der Angriffe auf Zivilisten im Vergleich zum Vorjahr um 38 Prozent gestiegen.

Auch in den Nachbarstaaten im Sahel, in denen ebenfalls Militärs an der Macht sind, nehmen nichtstaatlichen Organisationen zufolge Menschenrechtsverletzungen zu. In einem Anfang November veröffentlichen Bericht von Amnesty International heißt es, dass im Juli mindestens 46 Orte von bewaffneten Gruppen belagert wurden. Auch würden Versorgungskonvois angegriffen. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sind mehr als zwei Millionen Binnenflüchtlinge registriert. 6.150 Schulen seien aus Angst vor Angriffen geschlossen worden.

Kritik gibt es auch an der Kampagne, die Militärpräsident Ibrahim Traore im April als “Generalmobilisierung” bezeichnete. Junge Menschen ab 18 können bei Bedarf für den Kampf gegen Dschihadisten rekrutiert werden. Am Wochenende kritisierte die burkinische “Bewegung für die Rechte des Menschen und des Volkes”, dass gezielt Mitglieder von Gewerkschaften, nichtstaatlichen Organisationen sowie Journalisten und Regimekritiker zwangsrekrutiert würden. Zuvor war eine geplante Kundgebung bei Gewerkschaften, die “Einschränkungen der Freiheiten” anprangern wollten, verboten worden.

Zunehmend Einschränkungen erlebten auch Medienschaffende, sagt Jonathan Rozen vom Komitee zum Schutz von Journalisten. “Sie sind zwischen Konflikten und Zensur gefangen.” Aufgrund der schlechten Sicherheitslage haben sie im Sahel wachsende Schwierigkeiten, vor Ort zu berichten. Zugleich bleibe kaum noch Raum für kritische Berichte über das Militär. Auch in Benin wurde im September ein nigerianischer Journalist neun Tage lang mit dem Vorwurf festgehalten, an einer “terroristischen Aktivität” teilzunehmen. Er ist mittlerweile wieder in Nigeria.

Auch im Niger erleben Journalisten seit dem Staatsstreich Ende Juli zunehmend Repressionen. Der bekannteste Fall ist der von Bloggerin Samira Sabou, die Ende September tagelang festgehalten wurde. “Männer sind zu ihr nach Hause gekommen und haben ihr Handy konfisziert”, berichtet Rozen. Tagelang war ihr Aufenthaltsort unbekannt. Heute ist sie vorläufig freigelassen. “Vorgeworfen werden ihr jedoch Staatsverrat und Internetkriminalität, wofür unter Umständen sogar die Todesstrafe verhängt werden kann”, so der Experte. “Die Situation ist sehr ernst.”