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Reerdigung: Pilotprojekt in Schleswig-Holstein soll weitergehen

Das Pilotprojekt Reerdigung in Schleswig-Holstein soll fortgesetzt werden. Die ersten Ergebnisse des umstrittenen Projekts für eine neue Bestattungsform sind positiv.

"Meine Erde" Geschäftsführer, Pablo Metz, vor einem Reerdigungs-Kokon in einer Kapelle in Kiel
"Meine Erde" Geschäftsführer, Pablo Metz, vor einem Reerdigungs-Kokon in einer Kapelle in Kielepd-bild / Nadine Heggen

In Schleswig-Holstein soll das Pilotprojekt Reerdigung als mögliche neue Bestattungsform weiterlaufen. „Die bisher vorliegenden Ergebnisse sind überzeugend, es braucht jedoch weitere wissenschaftliche Untersuchungen, um ein solches Verfahren als neue Bestattungsart zuzulassen“, sagte Oliver Grundei (CDU), Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium im Innen- und Rechtsausschuss.

Die Reerdigung, also die Kompostierung von Leichen, wird von dem Berliner Start-up „Meine Erde“ seit Februar 2022 in Schleswig-Holstein angeboten. Die erste Phase des Projekts, in der ursprünglich deutlich mehr Bestattungen vorgesehen waren, laufe bis Ende 2023. Wissenschaftlich begleitet wird das Verfahren von der Universität Leipzig. Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, ist eine Folgestudie geplant. Für die zweite Phase des Pilotprojekts brauche es jedoch eine entsprechende Rechtsgrundlage. Über das Verfahren soll es eine Abstimmung mit dem Landtag geben, hieß es vom Ministerium.

Reerdigung: Verstorbene werden in einem Kokon zu Erde kompostiert

Bei einer Reerdigung werden Verstorbene in einem Kokon innerhalb von 40 Tagen auf natürliche Weise zu Erde kompostiert. Die übrig gebliebenen Knochen werden gemahlen und der Erde wieder beigefügt, die dann ohne Sarg oder Urne beigesetzt wird. Bis Ende des Jahres ist sie als dritte Bestattungsform neben Erd- und Feuerbestattungen im Norden noch geduldet. Eine Novellierung des Bestattungsgesetzes ist in Planung, ein entsprechender Landtagsbeschluss wird aber erst Mitte 2024 erwartet. Grundei appellierte, nicht auf die große Novellierung zu warten, sondern das aktuelle Gesetz um eine Art Experimentierklausel zu ergänzen: „Damit ist das Projekt schneller rechtlich abgesichert“, sagte der Staatssekretär.

 

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Bislang hat die Universität Leipzig Untersuchungen von zwei Bestattungsprozessen abgeschlossen und wird die Ergebnisse in Kürze veröffentlichen. Grundei: „Erste Ergebnisse bestätigen eine beschleunigte Verwesung innerhalb von rund 40 Tagen.“ Die vorgefundenen Überreste in dem dabei entstehenden Erdsubstrat würden etwa denen, entsprechen, die rund 20 bis 30 Jahren nach einer herkömmlichen Erdbestattung in der Erde zu finden seien. Auch die Prüfung arbeitsschutzrechtlicher Fragen hat laut Grundei nach bisherigem Stand keine Ausschlusskriterien hinsichtlich des Verfahrens ergeben. „Um das Projekt solide abzuschließen, brauchen wir einfach eine gründlichere Untersuchung“, sagte der Staatssekretär. Wie lange die zweite Pilotphase laufen soll und wie viele Fallzahlen dafür nötig sind, ließ er offen. „Das entscheiden die Wissenschaftler“, sagte Grundei im Ausschuss.

Kritik kommt von Feuer- und Sargbestattern

Nicht zuletzt gibt es nicht nur Befürworter des Projekts: Kritik an dem Projekt hagelt es in erster Linie von Feuer- und Sargbestattern und dem Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel. Püschel, der in die wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Projekt nicht involviert ist, hatte die mangelhafte Datenlage kritisiert. Zudem äußerte er ethische Bedenken und mutmaßte, dass es sich bei den Resten der Verstorbenen um Erde handle, die „relativ viel verfaultes Fleisch“ enthalte. Ein Bestatter aus Mölln berichtete von einem penetranten Verwesungsgeruch beim Öffnen des Kokons.

Die Pröpstin des Kirchenkreises Altholstein, Almut Witt, kann die Kritik nicht nachvollziehen. Sie war bei einer Kokon-Öffnung in dieser Woche dabei. „Ich war positiv überrascht. Am Anfang habe ich kurz Ammoniak-Geruch wahrgenommen, der bei Verwesungsprozessen üblich ist“, sagte Witt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der sei aber schnell verflogen. Bis auf einige Knochen habe es sich bei den Überresten um Erde gehandelt, die auch nach Erde rieche. Sie erlebe zudem einen „würde- und liebevollen Umgang“ mit den Toten und ihren Angehörigen. Die christlichen Kirchen stehen dem Projekt positiv gegenüber.

Bestattungsunternehmer Richard Hovorka: Kein “verfaultes Fleisch”

Bestattungsunternehmer Richard Hovorka aus Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) hat die sechste Reerdigung von „Meine Erde“ begleitet. „Ammoniak habe ich gar nicht gerochen. Und verfaultes Fleisch gibt es auch nicht. Die Knochen sind blank“, sagte er dem epd. Über die Kritik an der mangelnden Datenlage kann Hovorka nur den Kopf schütteln. „Wo sollen denn viele Daten herkommen? Es handelt sich schließlich um ein Pilotprojekt.“

Der forensische Entomologe Marcus Schwarz von der Universität Leipzig hat die Pilotphase mit seinem Team wissenschaftlich begleitet und verschiedene Erdproben untersucht. Für ihn ist die Reerdigung nach bisherigen Erkenntnissen unbedenklich für Mensch und Umwelt. Im Gegenteil: „In einem ruhigen, gesteuerten Ökosystem entsteht ein hochpotenter Boden“, sagt Schwarz. Durch die große Hitzeentwicklung in dem Kokon bis zu über 70 Grad würden auch die Auflagen des Infektionsschutzes erfüllt.

Das Pilotprojekt läuft an zwei Standorten, in den Kapellen des Kieler Parkfriedhofs und des Friedhofs in Mölln (Herzogtum Lauenburg). Zwölf Reerdigungen sind inzwischen abgeschlossen.