Die Einen fordern Rechtssicherheit, die Anderen schütteln ratlos den Kopf: Beim Thema Bezahlkarte für Flüchtlinge hat die Ampel-Koalition einen weiteren öffentlichen Streit angefangen. Auf Wunsch der Bundesländer sollen mit der Karte künftig Bargeldauszahlungen an Asylbewerber weiter reduziert werden. Das ist Konsens, sagen auch die Grünen. „Wir Grünen unterstützen grundsätzlich die Einführung einer diskriminierungsfreien Bezahlkarte für Geflüchtete“, sagte die Abgeordnete Filiz Polat (Grüne) dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Im Adjektiv „diskriminierungsfrei“ verbirgt sich dabei der Streit, der derzeit verhandelt wird. Uneinigkeit gibt es nämlich bei den Details, was mit der Karte alles möglich sein wird – oder vielmehr: was nicht. Während Länder, SPD und FDP mit Rechtssicherheit für eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes argumentieren, fürchten die Grünen, dass es eher um eine weitere Verschärfung der Regeln für Flüchtlinge geht.
Denn tatsächlich geht es den Ländern um mehr als die klare Erwähnung der Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz, das bislang Geld- und Sachleistungen sowie als abweichende Formen „Wertgutscheine“ oder „vergleichbare unbare Abrechnungen“ ausdrücklich erwähnt. Sie wollen auch, dass der bisherige Vorrang für Geldleistungen bei einer Unterbringung außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften gestrichen wird und die sogenannten Analogleistungen ebenfalls über die Bezahlkarte laufen, wie die Staatskanzlei des Landes Hessen, das derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz innehat, auf Anfrage mitteilte. Gemeint ist damit, dass Asylbewerber, die bereits sehr mehr als drei Jahren in Deutschland sind und deswegen die normale Grundsicherung beziehen, auch die Bezahlkarte statt Bargeld erhalten.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kommt deswegen zu dem Schluss: „Nur, wer die Möglichkeiten zur Diskriminierung per Karte ausweiten will, braucht eine Gesetzesänderung.“ Viele Grünen-Politiker wie Polat verweisen zudem darauf, dass es die Bezahlkarte in einzelnen Regionen bereits gibt oder kurz vor der Einführung steht. Als Beispiel genannt wird vor allem die in Hannover entwickelte „SocialCard“. Sie ist eine Debitkarte, die nicht mit einem Konto verknüpft ist. Monatlich überweist die Stadt dorthin die Leistungen. Die Empfänger können nach Angaben der Stadt „frei über die Verwendung ihres Guthabens entscheiden“, in allen Geschäften, in denen eine Visa-Karte akzeptiert wird.
In Hannover habe niemand infrage gestellt, dass das geht, sagte in dieser Woche die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Sie vermisst den Nachweis, warum eine Gesetzesänderung für Rechtssicherheit notwendig ist. Wenn es aber darum gehe, Möglichkeiten einzuschränken, etwa das Kaufen gebrauchter Kindersachen im Internet oder Probleme bei der Bezahlung in der Mensa, seien das „andere Debatten“, sagte Dröge und forderte: „Wenn es jemanden gibt, der das diskutieren möchte, dann muss er es sagen.“
Konkret formuliert hat das bislang kein Land. Klar ist aber jetzt schon, dass es die bundesweit einheitliche Bezahlkarte nicht geben wird. Im Januar einigten sich nur 14 der 16 Bundesländer auf ein gemeinsames Vergabeverfahren für die Karte. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eine eigene Karte entwickeln. Das Gemeinschaftsprojekt der 14 anderen sieht Mindeststandards vor: Eine Karte mit Debit-Funktion und ohne Kontobindung, deren Guthaben die Bargeldauszahlung zum Teil ersetzen soll. „Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Land selbst“, hieß es Ende Januar in einer Mitteilung der hessischen Staatskanzlei.
Die Bundesregierung will den Ländern den Wunsch nach einer Gesetzesänderung erfüllen. Sie hat eine Formulierungshilfe erarbeitet, die den Forderungen der Länder entspricht. Sie sei jetzt im Bundestag zu besprechen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit Anfang dieser Woche. Der Ausgang ist offen, denn die Grünen finden die Debatte über gesetzliche Änderungen in den Worten Filiz Polats „völlig überflüssig“.