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AfD vor Oberverwaltungsgericht in Münster: Streit um Volksbegriff

Nach vierwöchiger Pause geht das Berufungsverfahren um die Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall weiter. Wann ein Urteil gesprochen wird, ist noch nicht absehbar.

Die AfD hat ein großes antidemokratisches Netzwerk, sagt die Mobile Beratung
Die AfD hat ein großes antidemokratisches Netzwerk, sagt die Mobile BeratungImago / Eibner

Einstellung zur Demokratie, Volksbegriff und Haltung zu Migranten und Muslimen: Vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster haben sich Vertreter der AfD und des Verfassungsschutzes einen Schlagabtausch zur Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall geliefert. Nach vierwöchiger Unterbrechung des Verfahrens trieb das Gericht die inhaltliche Auseinandersetzung voran und verschob Beweisanträge der AfD auf später. Vor der Fortsetzung des Verfahrens hatte die Partei 457 Beweisanträge eingereicht.

Das OVG muss klären, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD und ihre Jugendorganisation „Junge Alternative“ zu Recht als rechtsextremistische Verdachtsfälle eingestuft hat. Das Verwaltungsgericht Köln hatte dies 2022 bejaht, die AfD ging dagegen in Berufung. Zudem geht es in Münster um die Einstufung des sogenannten Flügels der AfD als Verdachtsfall und als „gesichert extremistische Bestrebung“. Für die mündliche Berufungsverhandlung sind bis zum 3. Juli zwölf weitere Verhandlungstage angesetzt.

AfD beschwört Einhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Der Anwalt des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Wolfgang Roth, sagte mit Blick auf den Volksbegriff der AfD, die Partei stelle in ihren öffentlichen Äußerungen ein ethnisch definiertes deutsches Volk über andere Ethnien. Die AfD wolle Migrationsströme umkehren und verwende für diese Vertreibung von Migranten aus Deutschland den Begriff „Remigration“. Die AfD verwies dagegen auf ihr Parteiprogramm: Es werde nichts beschlossen, das gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoße, sagte Bundesvorstand Peter Boehringer. Er bestritt einen Rechtsruck in der AfD.

Die Haltung der AfD zu Flüchtlingen und Zuwanderern wurde am Beispiel des „Einzelfalltickers“ erörtert, mit dem die Partei das angeblich „wahre Ausmaß“ der von Migranten begangenen Gewaltdelikte deutlich machen will. Der Verfassungsschutz erklärte, mit dieser zynisch „Einzelfall“ genannten Sammlung wolle die AfD alle Ausländer diskreditieren und als Gewalttäter und „Messermänner“ darstellen, die potenziell kriminell seien und den Sozialstaat ausbeuten wollten.

Diskussion um Meinung zum Islam innerhalb der AfD

Den Vorwurf der Islamfeindlichkeit wies die AfD ebenfalls mit Hinweis auf ihr Programm zurück. Auch Muslimen werde darin Religionsfreiheit zugestanden. Parteivorstand Boehringer sagte, zum Thema Islam gebe es in der AfD unterschiedliche Meinungen. Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, erklärte, ein Satz wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ sei in seiner Partei heute nicht mehr mehrheitsfähig.

Verfassungsschutz-Anwalt Roth hob dagegen erneut die Aussagen von AfD-Vertretern hervor. So werde etwa der Islam als „terroristische Vereinigung“ bezeichnet und in Schriften würden deutsche Mädchen vor muslimischen Jungen gewarnt.

AfD liefert mehr als 300 Stunden Videomaterial

Den Prozessauftakt Mitte März hatten die AfD-Anwälte durch zahlreiche Anträge und zusätzliche Zeugenanhörungen in die Länge gezogen. Vor der Fortsetzung am Donnerstag reichte die Partei nach den Worten ihres Anwalts Christian Conrad 457 weitere Beweisanträge mit Anlagen – insgesamt zehn Ordner – sowie mehr als 300 Stunden Videomaterial ein. Einer der Richter bezeichnete den Verlauf der Verhandlung am Donnerstag als „diskursives Ping-Pong-Spiel“.

Das Medieninteresse war deutlich geringer als an den ersten beiden Prozesstagen. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin waren von 39 akkreditierten Medien etwa 15 vertreten. Die Verhandlung wurde von der großen Eingangshalle in einen normalen Sitzungssaal verlegt. Zahlreiche für die Medien reservierte Plätze blieben leer und wurden für die Öffentlichkeit freigegeben.

Das Verfahren wird am Freitag fortgesetzt. Wann das OVG Münster sein Urteil spricht, ist noch ungewiss. Gegen das Urteil ist in jedem Fall eine Revision möglich. Darüber müsste dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden. Dort würde das Urteil jedoch lediglich auf rechtliche Fehler geprüft.