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Psychologe: ADHS-Hype in sozialen Medien birgt Gefahren

ADHS-Postings auf Instagram und Tiktok trägt nach Ansicht eines Psychologen zur Krankheits-Aufklärung bei – birgt aber auch Gefahren. “Oft teilen dort Menschen ihre persönliche ADHS-Geschichte und ihr Wissen zum Thema, die selbst erst seit Kurzem eine Diagnose haben. Ich halte es für gefährlich, wenn sie sich dort als Experten darstellen und erzählen, woran man die ADHS erkennt und wie man sie behandelt”, sagte Johannes Streif der “Thüringer Allgemeinen” (Donnerstag). Er ist Vize-Vorsitzender des Selbsthilfe-Dachverbandes ADHS Deutschland; bei ihm wurde ADHS im Erwachsenenalter diagnostiziert.

Die sozialen Netzwerke spielen laut Steiff eine wichtige Rolle bei der Aufklärung über das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Dennoch bestehe die Gefahr einer einseitigen oder falschen Darstellung: “Statt in die Schublade einer Störung, wie dies früher oft der Fall war, werden Menschen mit einer ADHS heute mehr und mehr in die Schublade von egozentrischen Individualisten gesteckt, die ihr Handeln mit ihrer Neurodiversität erklären. Das finde ich schwierig.”

Steiff geht von einem Anstieg der ADHS-Diagnosen aus und führt das auf eine allgemein gestiegene gesellschaftliche Auseinandersetzung mit psychiatrischen Erkrankungen zurück. Bei Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Partnerschaft könne es sinnvoll sein, einen Facharzt aufzusuchen und sich untersuchen zu lassen, so Steiff. “Ohne Probleme sollte man jedoch die Notwendigkeit einer Diagnose hinterfragen und die ADHS nicht als pauschale Erklärung für das Scheitern an alltäglichen Herausforderungen verwenden.”

Wenn Tiktok oder andere soziale Netzwerke einen auf die ADHS aufmerksam machten, empfiehlt Steiff Bücher von anerkannten Fachleuten, die sich an Betroffene und Angehörige richten, um tiefer in das Thema einzusteigen. Hilfreich seien auch die Internetseiten des Bundesgesundheitsministeriums oder der Zentralen ADHS-Netzes sowie der ADHS-Selbsthilfe.