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Protestantische Klangteppich-Webkunst

Zum Reformationsjubiläum wird unter dem Thema „Klang der Frömmigkeit – Luthers musikalische Erben“ bis ins Jahr 2018 an insgesamt acht Stationen in Westfalen-Lippe der Einfluss der Reformation auf die Musik bis in die Gegenwart gezeigt

Westfalen verfügt über ein vielfältiges kirchenmusikalisches Erbe, das die Wanderausstellung „Klang der Frömmigkeit – Luthers musikalische Erben“ des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) zeigen will. Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums soll dabei der Einfluss der Reformation auf die Musik bis zur Gegenwart und ihre prägende Kraft auf die deutsche Kultur deutlich werden, wie der Landschaftsverband in Münster zum Auftakt der Sonderschau mitteilte. An ihrer ersten Station im rock‘n‘pop-Museum in Gronau, das auch an der Entstehung beteiligt war, ist die mit Unterstützung der Evangelischen Kirche von Westfalen entstandene Wanderausstellung gegenwärtig noch bis zum 26. Februar zu sehen.

Musiktraditionen und Klangvielfalt Westfalens

Die evangelische Kirche war von Beginn an eine singende, klingende Kirche. Denn für Martin Luther, auch als „Vater der Kirchenlieder“ bezeichnet, war Musik Mittel der Verkündigung, Geschenk Gottes und Medizin gegen das Böse, lassen die Veranstalter wissen. Lieder wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ gaben der Gemeinde eine Stimme – und zwar nicht in der Liturgiesprache Latein, sondern allgemein verständlich auf Deutsch. Luthers Choräle sind heute Gesangbuchklassiker. Auch die reformierte Tradition maß der Musik einen besonderen Wert bei.
So verbreitete sich die Botschaft der Reformation maßgeblich durch Musik. Als ihren  „Herzschlag“ bezeichnete sie anlässlich des Themenjahres 2012 „Reformation und Musik“ im Rahmen der Lutherdekade zur Vorbereitung des großen Jubiläums treffend der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider.
„Die Ausstellung begibt sich auf die Suche nach dem Sound der frohen Botschaft. Sie vermittelt multimedial Einblicke in die Geschichte der deutschsprachigen Kirchenmusik und dies auch über die Kirchenmauern hinaus“, so Ausstellungsmacherin Silke Eilers vom LWL-Museumsamt für Westfalen. Mit überregionalen Stücken, aber auch Texten, Kompositionen und Vertonungen aus der Region soll Westfalens musikalisches Potenzial lebendig werden. Eilers: „Wir möchten die Musiktraditionen und Klangvielfalt Westfalens in Geschichte und Gegenwart durch Texte, Objekte, Bildquellen erlebbar machen.“

Schwerpunkt liegt auf dem Gesang

Wesentliches Exponat sei in dieser Ausstellung die Musik selbst, vermittelt in Ton- sowie Bild-Ton-Dokumenten, erläuterte der Landschaftsverband. Darüber hinaus präsentiert die Ausstellung Instrumente, Gesangbücher und Notenblätter, Skulpturen, religiöse Druckgrafik, Gemälde, Materialien kirchenmusikalischer Veranstaltungen sowie Bühnenkleidung und -requisiten.
Das rock‘n‘pop-Museum Gronau hat den Informationen zufolge Interviews mit Vertretern wichtiger Vermittlungsinstitutionen und aktiven Künstlern der religiösen Popmusikszene seit 1960 geführt, die Einblicke in Konzepte und Initiativen geben. „Es waren im Wesentlichen die Menschen und einzelne Initiativen, die bewegten und Akzente setzten. Westfalen prägte und wurde geprägt“, erläutert Thomas Mania, wissenschaftlicher Mitarbeiter im rock‘n‘pop-Museum und verantwortlich für den Bereich Popmusik in der Ausstellung.
Im Rahmen des Jubiläums, wo sich die Augen vielfach auf die Wiege der Reformation in den östlichen Teilen Deutschlands richten, möchte die Ausstellung den Fokus auf Westfalen lenken. Denn mit seiner mannigfaltigen konfessionellen Struktur und wechselvollen Geschichte verfüge Westfalen in der Kirchenmusik über eine lange Tradition, aber auch über regionale Varianten und örtliche Besonderheiten. Der Landschaftsverband verweist in dem Zusammenhang auf die Entwicklung besonderer musikalischer Traditionen in Westfalen, wie etwa die Posaunenchorbewegung in Ostwestfalen, das vor über 300 Jahren eingeführte Gloriasingen an Heiligabend vom Turm der St. Petrikirche in Soest, das Kantatefest in Herford oder die Musicals und Oratorien der Stiftung Creative Kirche in Witten. Zudem sei Westfalen eine bekannte, traditionsreiche Orgellandschaft.
„Westfalia non cantat“ (Westfalen singt nicht“) heißt es gemeinhin, erklärte der Landschaftsverband. „Die Ausstellung verdeutlicht aber die vielfältigen Facetten der in der Reformation entstandenen und gelebten Musiktradition als Teil einer neuen, von aktiver Mitgestaltung geprägten Kultur“, sagt Eilers.
Die Sonderschau ist thematisch gegliedert. Sie behandelt in fünf Kapiteln die Themen: Reformation und Musik in Westfalen, Singebewegung, Instrumente, politische Instrumentalisierung des Liedes und Popmusik. Die einzelnen Aspekte werden mit Liedgut und Instrumenten erschlossen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Gesang. Er ist neben Predigt und Liturgie in deutscher Sprache das Herzstück des protestantischen Gottesdienstes und des Gemeindelebens. Dieses Element setzte die aktive Beteiligung der Gemeinde voraus und ist bis heute in allen Regionen Westfalens ein zentraler Bestandteil der evangelischen Frömmigkeitspraxis.
Unter den Ausstellungsstücken sind nach Angaben des Landschaftsverbands historische Gesangbuchausgaben aus dem 16. Jahrhundert aus einer Privatsammlung von Pfarrer i.R. Wilhelm Gröne aus Menden. Zudem habe das Stadtarchiv Soest das kostbare Werk „FrewdenSpiegel deß ewigen Lebens“ aus dem Jahr 1599 als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Das Trost- und Erbauungsbuch enthält im Anhang die Kirchenlieder „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ und „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Diese haben bis in die heutige Zeit weite Verbreitung gefunden und Wirkung entfaltet. Wiederholt hat man sie als „König und Königin unter den Chorälen“ bezeichnet. Der Theologe und lutherische Hofprediger Philipp Nicolai (1556-1608) hat das Buch unter dem Eindruck der Pest in Unna, wo er eine Pfarrstelle innehatte, verfasst.

Musik in Ton- und Bild-Ton-Dokumenten

Mit einem Audio Guide können die Besucher Tondokumente hören. Zu hören sind bekannte, aber auch weniger bekannte Lieder und Instru­mentaleinspielungen. Unter den präsentierten Tonbeispielen finden sich auch Stücke mit westfälischem Bezug und Aufnahmen westfälischer Interpreten, wie etwa der evangelischen Kantorei Iserlohn. Daneben gibt es Film- und Hörstationen, die Eindrücke von Musikrezeption und -tradition vermitteln.
Die Ausstellung, die bis ins Jahr 2018 nacheinander an insgesamt acht Standorten in Westfalen-Lippe zu sehen ist (siehe Kasten), wird ergänzt durch einen wissenschaftlichen Begleitband, der wesentliche Themen der Ausstellung vertieft und zum Teil neue Forschungsansätze bietet in Bezug auf die Musikgeschichte des Kulturraums Westfalen. Zudem hat die Geschichtsma­nufaktur Dortmund ein museums­pädagogisches Begleitprogramm für Erwachsene sowie die Sekundarstufe II entwickelt. UK

rock‘n‘pop-Museum, Gronau. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 10-18 Uhr, dienstags auf Anfrage für Gruppen (ab 30 Personen), Internet: http://rock-popmuseum.com/de/.