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Praxischeck: Starre Regeln lähmen Kitas im Südwesten

Strenge Regeln für Gruppenarten, Toiletten und Betreuungsschlüssel lähmen laut einem Praxischeck die Arbeit der Kindertagesstätten in Baden-Württemberg. Die starren Vorgaben seien nicht mehr zeitgemäß und führten zu hohem Aufwand bei Betriebserlaubnis, Bauanträgen und Personalplanung, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Landes-Normenkontrollrats, Margret Mergen, am Donnerstag in Stuttgart. Der Normenkontrollrat hatte den Praxischeck durchgeführt.

Die Untersuchung basiert den Angaben zufolge auf Gesprächen mit zahlreichen Kita-Trägern, Behörden und Ministeriumsvertretern. Demnach gebe es zwölf verschiedene Gruppenarten, die nicht ohne weiteres vermischt werden dürfen. Fehlt in einer Gruppe die Fachkraft, dürfen die Kinder nicht einfach auf andere Gruppen verteilt werden. Empfohlen wird deshalb nun ein System, das sich an der gesamten Einrichtung und am einzelnen Kind orientiert. Eltern waren am Praxischeck nicht beteiligt.

Der Bericht listet eine Reihe weiterer bürokratischer Hürden auf. Dazu zählen widersprüchliche Auflagen verschiedener Aufsichtsbehörden. Als Beispiel wurde der Bodenbelag in Kita-Küchen genannt, wo Hygienevorschriften (Fliesen) im Konflikt mit dem Unfallschutz (rutschfester Noppenboden) stehen. Auch komplizierte Förderprogramme, wie zur Sprachförderung, und ein hoher Dokumentationsaufwand bei Personaländerungen und statistischen Meldungen belasteten die Einrichtungen stark.

Der Bericht enthält rund 20 Empfehlungen zur Entbürokratisierung. Mergen lobte die Flexibilisierung beim Fachkräfteschlüssel, der in Baden-Württemberg höher sei als in jedem anderen Bundesland. Betreuer müssten nicht immer ausgebildete Pädagoginnen sein, das könne auch durch Quereinsteiger – etwa Übungsleiter aus Vereinen – ergänzt werden. Man solle mehr „Praktiker von außen“ in die Kitas holen, riet sie.

Als weiteres Beispiel nannte Mergen die Entfernung einer Zecke, die als „medizinischer Eingriff“ bewertet werde und deshalb nicht ohne Zustimmung der Eltern von Kita-Mitarbeitern vorgenommen werden dürfe. Sie plädierte für eine Widerspruchslösung, damit die Mitarbeiterinnen unbürokratisch das Erforderliche tun könnten, so lange dem nicht ausdrücklich widersprochen wird.

Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart und Mitglied im Normenkontrollrat, wies auf die wirtschaftliche Bedeutung der Kinderbetreuung hin. Laut Fachkräftemonitor fehlen bis 2035 im Südwesten 400.000 Stellen, was einen Wertschöpfungsverlust von 170.000 Milliarden Euro bedeute. Befragungen zufolge wollten in Teilzeit arbeitende Frauen im Durchschnitt 8,6 Stunden mehr pro Woche arbeiten – das entspreche in Baden-Württemberg 80.000 Stellen. Frühkindliche Betreuung habe insbesondere im Bereich der Sprachförderung auch einen wichtigen Einfluss auf den Bildungserfolg. (3137/04.12.2025)