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Potsdamer Museum zeigt facettenreiche Kandinsky-Ausstellung

“Kosmos Kandinsky”: Das Museum Barberini in Potsdam zeigt Werke des russischen Malers Wassily Kandinsky. Er suchte das Geistige in der Kunst und im Leben – und inspirierte viele andere Künstler.

Anfang des 20. Jahrhunderts war Europa in Aufruhr: Die Industrialisierung schritt voran, in den Naturwissenschaften gab es rasante Fortschritte und auch materialistische Ideologien schlugen sich revolutionär ihre Bahn. Einer, der mitten in diesem Wirbelwind der Veränderungen lebte, war der Russe Wassily Kandinsky (1866-1944). Und auch er selbst sorgte für Veränderungen.

Eigentlich als Jurist ausgebildet, studierte Kandinsky in München Kunst. Farben und Formen interessierten ihn mehr als die traditionelle Wiedergabe der Realität. Inmitten all der Veränderungen ahnte Kandinsky, dass die bisherige Bildsprache der Malerei nicht mehr genügte, um die Wirklichkeit darzustellen. Interessiert an Theosophie und orthodoxem Christentum glaubte er an den Primat des Geistigen, des Spirituellen in der Welt. Das Ergebnis: die abstrakte Kunst, als deren Erfinder er gilt.

In der Ausstellung “Kosmos Kandinsky. Geometrische Abstraktion im 20. Jahrhundert”, die ab Samstag im Museum Barberini in Potsdam zu sehen ist, kann man diese “Kandinskysche Wende” in der Malerei erleben und ihre künstlerischen Ausläufer bis hinein in die 1970er Jahre.

Dabei wird, wie Kuratorin Sterre Barentsen erklärt, in der Ausstellung nicht die Geschichte erzählt, wie Kandinsky zur Abstraktion kam, sondern wie es ab diesem Punkt in der internationalen Malerei weiterging. Ein facettenreicher Vorgang, bei dem zahlreiche internationale Meisterwerke zu bewundern sind, so etwa “Puzzle” (1969) von Miriam Schapiro, “Entwurf Nr. 4 für die Sacramento Mall” (1978) von Frank Stella oder “Komposition mit Gelb und Blau” (1932) von Piet Mondrian. Ein internationales Netzwerk der Geometrischen Abstraktion über Grenzen und Generationen hinweg.

Das visuelle Schwergewicht der Ausstellung bilden jedoch Werke Kandinskys, wie zum Beispiel “Weißes Kreuz” (1922), das als Leihgabe der Guggenheim Foundation New York nach Potsdam gereist ist, oder das aus einer Privatsammlung stammende “Oben und links” (1925).

Das “Weiße Kreuz” malte Kandinsky, als er nach einem kurzen Sowjetunion-Intermezzo wieder in Deutschland lebte und als Bauhaus-Lehrer in Weimar, Dessau und Berlin wirkte. Es ist vom russischen Suprematismus und Konstruktivismus à la Kasimir Malewitsch oder Ljubow Popowa beeinflusst. Auch für “Oben und links” gilt made in Germany. “Im Zentrum des Werkes überlagern sich farbige Rechtecke, deren Schnittmengen neue Farbtöne erzeugen”, wie es auf einer Infotafel heißt. Diagonale Linien drücken Energie aus, horizontale Linien sollen für Ordnung und Struktur sorgen.

Besteht also eine unsichtbare Ordnung in dem etwas chaotisch wirkenden Werk? Aus Sicht Kandinskys ganz bestimmt. Ihm ging es bei dem Zusammenspiel von Form und Farben darum, eine “Symphonie” zu gestalten. Wobei die Analogie zur Musik nicht zufällig war. Farben nahm Kandinsky wie Klänge und Töne wahr. Ihr bewusster Einsatz war Teil seiner malerischen “Grammatik”, deren Struktur er sich von der Musik abschaute.

Das zweite deutsche Kapitel seines Lebens endete mit der Machtergreifung der Nazis. Kandinsky zog mit seiner Frau nach Frankreich, wo er bis zu seinem Tod 1944 blieb. Unter Einfluss der Surrealisten experimentierte er in dieser Phase besonders mit biomorphen Formen in seinen Werken. Dem Geheimnis des Lebens und des Geistes konnte er so noch tiefer nachgehen.

Die Potsdamer Ausstellung, bei der insgesamt 125 Werke von 70 Künstlerinnen und Künstlern aus sieben Jahrzehnten Geometrischer Abstraktion gezeigt werden, geht bis zum 18. Mai. Zu den über 30 internationalen Leihgebern gehören die Courtauld Gallery in London, das Whitney Museum of American Art und das Solomon R. Guggenheim Museum in New York.