Der Politologe Lukas Haffert sieht in den anhaltenden Bauernprotesten ein Indiz für eine wachsende Diskrepanz zwischen Stadt- und Landbevölkerung. „Es geht gar nicht in erster Linie um das Wohlstandsniveau. Vielen ländlichen Regionen, vor allem in Westdeutschland, geht es ökonomisch sehr gut. Vielmehr geht es um Anerkennung, etwa bei der Frage von Lebensstilen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Eine zentrale Frage ist: Welche Lebensstile sind mit einem gesellschaftlichen Statusgewinn verbunden und welche mit einem Statusverlust?“, sagte Haffert, der an der Universität in Genf Politikwissenschaft lehrt.
Eine wesentliche Rolle spielten bei dem Konflikt Werte und Prägungen. „Wenn man Menschen danach fragt, durch welche Eigenschaften sie sich auszeichnen, dann betonen Landbewohnerinnen und Landbewohner häufig Werte wie “Bodenständigkeit„ und “harte Arbeit„“, erklärte Haffert. Dies komme auch in den aktuellen Bauernprotesten deutlich zum Ausdruck. In den Städten hingegen seien es eher Werte wie „Weltoffenheit“ und „Selbstverwirklichung“, die eine viel größere Rolle spielten.
Der Wegzug junger Menschen aus ländlichen Gebieten verschärfe die Ungleichheit. „Eine unmittelbare Folge ist natürlich, dass die Bevölkerung überaltert. Besonders frustriert davon sind aber nicht die Alten, sondern die Jungen – vor allem die jungen Männer -, die zurückbleiben“, erklärt der Politologe den Unmut der Landbevölkerung.
„Ein wichtiger Befund in der Forschung ist, dass Landbewohnerinnen und Landbewohner nur wenig Vertrauen darin haben, politisch etwas bewirken zu können. Städter sind da optimistischer“, sagte Haffert. Ein erster Schritt, etwas an dieser wahrgenommenen Repräsentationslücke zu ändern, bestünde laut Haffert darin, mehr authentische Vertreter des Landes in die Parlamente zu bringen. „Auch sollte der Staat vor Ort als wahrnehmbar und beeinflussbar erscheinen, etwa indem man Landkreise nicht zu immer größeren Einheiten zusammenlegt. Und schließlich wäre es wichtig, dass Lokalzeitungen erhalten bleiben, die mit einer explizit regionalen Perspektive über die Bundespolitik berichten.“