Wie gut können Deutsche lesen, wie gut rechnen, wie gut Alltagsprobleme lösen? Im Vergleich mit 30 anderen Staaten überdurchschnittlich gut. Spitzenreiter sind aber andere.
Lesen können auf dem Niveau eines zehnjährigen Kindes oder deutlich schlechter: So geht es jedem fünften Erwachsenen in Deutschland. Demnach können rund 22 Prozent der 16- bis 65-Jährigen den Inhalt eines einfachen Satzes wie “Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind bis zehn Uhr hier ist” nicht oder nur mit Problemen erfassen.
Das geht aus der zweiten Bildungsvergleichsstudie “PIAAC” der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unter Erwachsenen aus 31 Ländern und Volkswirtschaften hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. An der “Internationalen Studie zur Untersuchung von Alltagsfähigkeiten Erwachsener” nahmen von 2022 bis 2023 rund 160.000 Personen teil, 4.793 davon in Deutschland. Im Gegensatz zum ersten Erhebungszeitraum (2012 bis 2013) wurden die Tests ausschließlich mit Tablets durchgeführt. Neben Deutschland nahmen etwa Schweden, Dänemark, Spanien, Frankreich, Polen und Singapur an den Befragung teil.
In der Lesekompetenz liegt der Mittelwert in Deutschland laut Angaben mit 266 Punkten 6 Punkte über dem OECD-Durchschnitt, in der alltagsmathematischen Kompetenz mit 273 Punkten und im “adaptiven Problemlösen” – etwa dem Buchen einer Reise für mehrere Personen mit unterschiedlichen Bedarfen – mit 261 Punkten jeweils 10 Punkte über dem OECD-Durchschnitt. Die beiden Spitzenplätze belegen in allen drei Domänen Finnland und Japan; Chile erzielte die niedrigsten Werte.
Über nahezu Länder hinweg sei der Anteil sehr schwacher Leseleistungen gewachsen, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Als möglichen Grund nannte er den zunehmenden Kontakt mit der digitalen Welt: “Das Lesen in der digitalen Welt macht uns mehr zu Konsumenten als zu reflektierenden Menschen.” Es gebe weniger Kontakt mit komplexen Texten und Aufgaben.
Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind die mittleren Lesekompetenzwerte bei niedrigen und mittleren Bildungsabschlüssen aktuell zum Teil deutlich niedriger als vor rund zehn Jahren. So weisen beispielsweise Personen mit Hauptschulabschluss ohne Berufsabschluss eine durchschnittliche Lesekompetenz auf, die fast eine halbe Kompetenzstufe (minus 23 Punkte) niedriger ist als im ersten Zyklus von PIAAC. Ähnlich sieht es bei höheren Schulabschlüssen aus.
Die Bildungsabschlüsse der jeweiligen Länder sind demnach nicht unbedingt vergleichbar. So hat laut Studie jemand in Finnland mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II ein ähnliches Kompetenzniveau beim Lesen (289 Punkte) wie jemand in Deutschland mit einem Uniabschluss (291 Punkte).