Der demographische Wandel zeigt sich auch in der Gemeindearbeit. Fast jeder kennt in seiner eigenen Familie oder im Freundeskreis Menschen mit Demenz. Bis 2030 soll sich die Zahl der Erkrankten in Nordrhein-Westfalen nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums auf etwa 450 000 erhöhen.
Und obwohl viele Menschen von Betroffenen wissen und sich Filme wie „Honig im Kopf“ und „Wie ein einziger Tag“ mit dem Thema auseinandersetzen, scheinen Menschen mit Demenz nach wie vor nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. „Die anderen sind im Gespräch schon weiter, mein Mann kommt gedanklich gar nicht hinterher“, so eine Ehefrau in einer Angehörigengruppe einer ökumenischen Einrichtung der Diakonie Schwerte und des Caritasverbandes für den Kreis Unna. „Dass mein Mann ständig bedauert wird, ist schrecklich“, berichtet eine andere Angehörige.
Die Kirchengemeinde Schwerte und speziell der Seelsorgebezirk Villigst ist Pilotgemeinde im Projekt „Barrierefreie Kirchengemeinde als inklusiver Ort im Quartier auch für Menschen mit Demenz“. Ziel ist die Entwicklung eines Konzeptes, das die Teilhabemöglichkeiten auch von Menschen mit einer Demenz in der Kirchengemeinde fördert. Gemeinsam mit den Akteuren vor Ort werden Menschen mit Demenz und ihre Familien als Mitglieder der Kirchengemeinde ermutigt, das Quartier mitzugestalten.
Es gilt, unter Nutzung der „Methoden der Personenzentrierung“ geplante Angebote an ihren Wünschen und Fähigkeiten auszurichten. Davon ausgehend soll parallel die Umgebung weiter sensibilisiert werden. Menschen mit Demenz sollen im Sinne des englischen Sozialpsychologen und Psychogerontologen Tom Kitwood erst einmal als Menschen angesehen werden. Sie lachen und weinen, sie sind laut und leise, sind wie alle anderen Menschen auch. Zu erfahren, wie sie als Person kommunizieren und wie sie unterstützt werden können, um ihre Wahl- und Entscheidungsfreiheit zu verbessern, ist dabei eine wichtige Grundlage.
Im Zentrum steht, ausgehend von den Stärken und Kompetenzen der Mitarbeitenden, die Entwicklung von Ideen für die Ausgestaltung von Gottesdiensten, Räumen und Angeboten. Hierbei werden Netzwerke genutzt, um Ideen für die Weiterentwicklung einer sorgenden Nachbarschaft zu entwickeln.
In der Pilotgemeinde bauen die Akteure auf vielfältig bestehende Angebote auf. Angehörige im Grete-Meißner Zentrum, einer Begegnungsstätte der Diakonie Schwerte, gaben an, dass ihnen Workshops, Kurse und Gruppen halfen, mit der Krankheit nach außen umzugehen: „Ich spreche heute den Kellner in der Eisdiele direkt an und sage ihm, dass mein Mann Demenz hat.“
Das Konzept wird von der Agentur Asche-quartiersdesign, Dortmund, dem Institut für Kirche und Gesellschaft, der Villigster Kirchengemeinde mit Pastorin Claudia Bitter entwickelt und vom Kuratorium Deutsche Altershilfe e. V. gefördert. Nach Abschluss der Konzeptentwicklung gilt es, Teile des Projektes, wie zum Beispiel einen Werkzeugkoffer, basierend auf den Erfahrungen aus der Pilotgemeinde, auf andere Kirchengemeinden und Quartiere zu übertragen.
– Kontakt für Anregungen und Rückfragen: Friederike Asche (quartiersdesign, M.A. Versorgung von Menschen mit Demenz; Diakonin), Telefon 01 57 75 24 45 54, Marcel Temme (Referent für Demographie im IKG), Telefon (0 23 04) 7 55-3 81.
Ein Seminar für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen vom 16. bis 26. April 2018 auf Norderney bietet Möglichkeit zur Erholung und zum Erleben neuer Perspektiven sowie tägliche Betreuungsangebote für Teilnehmende mit Demenz. Das erfahrene Leitungsteam bietet ein vielfältiges Programm.
– Information und Anmeldung: Ulrike Pietsch, Telefon (0 23 04) 755-3 25.