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Philosoph und Schriftsteller Rüdiger Safranski wird 80 Jahre alt

Er hat mit konservativen Stellungnahmen Widerspruch erregt. Rüdiger Safranski scheut nicht das offene Wort. Der Schriftsteller, der zu den auflagenstärksten Philosophen gehört, wird 80 Jahre alt.

Er gehört zu den auflagenstärksten deutschen Philosophen der Gegenwart. Seine Bücher erklären die wichtigsten Denker und Dichter des Landes – und zwar auf auch für Laien verständliche Weise: Rüdiger Safranski feierte mit Biografien zu E.T.A. Hoffmann, Heidegger, Nietzsche, Schopenhauer, Schiller, Goethe und Hölderlin Erfolge. Zuletzt erschien in diesem Jahr sein Buch über das Schreiben als Franz Kafkas Lebensform.

Der großen Öffentlichkeit wurde er bekannt, weil der im ZDF mit Peter Sloterdijk zehn Jahre lang “Das philosophische Quartett” moderierte. Am 1. Januar wird der im schwäbischen Rottweil geborene und im badischen Badenweiler lebende Schriftsteller 80 Jahre alt.

Safranskis philosophische Essays befassen sich mit menschlichen Grundfragen, unter anderem mit dem Bösen oder mit dem zuträglichen Maß an Wahrheit und Globalisierung. Zuletzt befasste er sich in “Einzeln sein” mit dem Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft – und der Herausforderung des Menschen, auf sich allein gestellt zu sein.

“Der Philosoph Rüdiger Safranski ist ein unbequemer Geist”, schrieb die “Neue Züricher Zeitung” 2017. Das zeigt sich schon im Lebenslauf: Safranskis Kindheit wurde von seiner pietistischen Großmutter geprägt; zwischenzeitlich wollte er Theologie studieren. 1970 gehörte er dann zu den Gründungsmitgliedern einer maoistischen Splittergruppe.

In den vergangenen Jahren eckte der Schriftsteller allerdings mit konservativen Positionen zur Flüchtlingsdebatte, zu Europa und zum Islam an – und wurde dafür vom “Spiegel” als Stichwortgeber der Neuen Rechten kritisiert.

“Konservative Positionen sind in Deutschland gegenwärtig fast undenkbar”, wehrte er sich 2017 in der “Neuen Zürcher Zeitung”. “Wer beispielsweise behauptet, der Nationalstaat sei ein Zukunftsmodell, weil es in grösseren Formaten notwendigerweise ein Demokratiedefizit gibt, (…) der gilt als rechts.” Und rechts meine so viel wie “rechtspopulistisch, also rechtsradikal, also rechtsextrem, also Nazi, das sind die Gleichsetzungsdelirien in der deutschen Öffentlichkeit”.

Safranski prangert Denkfaulheit und eine Moralisierung an, die die öffentliche Debatte lähmten. Und diagnostiziert eine verharmlosende Sicht auf den Menschen. “Hobbes, Schopenhauer, Nietzsche, Freud, alle diese Denker beschreiben die Schattenseiten des menschlichen Ungeheuers”, sagt er. “Seien wir nett zueinander, aber vergessen wir nicht die Schatten, bleiben wir misstrauische Realisten”, forderte er.

Hier sieht er durchaus Bezüge zum Christentum: “Das gehört zum Genie des Christentums, das Bewusstsein dafür geweckt zu haben, dass die Sünde eine elementare Tatsache ist, dass wir als freie Wesen Optionen ins Negative haben”, sagt er. “Wir sind für uns selbst ein Risikofall, indem wir uns auch selbst vernichten können.”

In Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner Hölderlin-Biographie 2019 befasste sich Safranski auch mit einem schwindenden “Sinn für Religion” in der Gesellschaft. Das gelte gleichermaßen in der Philosophie wie im Alltagsleben, sagte er. Auf der einen Seite gebe es “politisierte Religionen (…), die den liberalen Geist gefährden”, auf der anderen Seite seien die Menschen, die ihre religiösen Bindungen eingebüßt hätten, zusehends gefährdet, “dem Nihilismus zu verfallen, der nur mehr Konsum kennt”. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass diese Entwicklung unumkehrbar sei. So könne etwa die Konfrontation mit Migranten und dem Islam eine “neue Konfrontation mit dem Religiösen” mit sich bringen.

Safranski bleibt weiterhin aktiv und geht nicht aufs Altenteil: Für den Herbst arbeite er an einem Buch über den menschlichen Geist im Schatten der Künstlichen Intelligenz, teilte der Hanser Verlag mit. Der Schriftsteller bezeichnet den Vormarsch der KI dabei als eine Zäsur, “wie einst, als damals der Humanismus aufkam”. Der menschliche Geist müsse sich wie damals in der Renaissance neu definieren. Es bestehe die Gefahr, dass die Welt der Technik zur totalen Macht werde.