Der Philosoph Julian Nida-Rümelin beklagt einen „Trend zur Dramatisierung und Polarisierung“ in den Medien. Es sei empirisch messbar, dass abwegige und exzentrische Positionen mehr Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien gewönnen, sagt Nida-Rümelin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch seriöse Printmedien und die öffentlich-rechtlichen Sender gäben diesem Trend nach. „Das ist keine gute Entwicklung für die Demokratie“, sagte Nida-Rümelin.
Eine zunehmende Diffamierung und eine zur Ausgrenzung neigende Diskurskultur belaste die Demokratie. „Das haben wir leider aus den USA übernommen“, sagte Nida-Rümelin. Dort gebe es kein Austausch von Argumenten, „da wird fast nur noch polemisiert“. Demokratie lasse sich aber nur durch eine zivilkulturelle Praxis stärken und vitalisieren.
Gesellschaft sollte respektvoll mit Meinungsverschiedenheiten umgehen
Nida-Rümelin plädierte für „Fallibilismus“ in der Demokratie. Der Begriff besage, dass auch etwas, das sehr gewiss erscheint, sich als Irrtum herausstellen könne. Diese Haltung sollte die Gesellschaft veranlassen, respektvoll mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Auch eine exzentrische Position könne sich am Ende als richtig herausstellen. Die Einstellung des Fallibilismus gehöre zu einer Kultur des respektvollen öffentlichen Meinungsaustauschs, sagte der Philosoph.
Nida-Rümelin hatte bis 2020 den Lehrstuhl für Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Von 2001 bis 2002 war er Kulturstaatsminister unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Er ist Mitglied im Direktorium des Bayerischen Forschungsinstituts für digitale Transformation und publiziert zu demokratieethischen Fragen.
