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Philosoph: Misstrauen in Demokratie nicht immer nur schlecht

Ist es schlimm, wenn Politikern und Institutionen misstraut wird? Nicht ausschließlich, meint der Philosoph Martin Hartmann. Er erklärt zudem, warum Umfragen zu Vertrauenswerten nicht die ganze Realität abbilden.

Nach Ansicht des Philosophen Martin Hartmann (57) gehört Misstrauen zu einer Demokratie dazu. Es gebe oft gute Gründe, misstrauisch zu sein, sagte der in Luzern lehrende Experte am Montagabend in Würzburg. Wenn man etwa Politikern Macht anvertraue, damit sie die Interessen des Volkes verträten, sei es völlig legitim, zu hinterfragen und zu prüfen, was diese täten. Hartmann ist Rektor der Universität Luzern.

Zu viel Vertrauen könne sogar zum Problem werden, führte Hartmann aus. Das zeige sich etwa bei Themen wie Populismus und Polarisierung: Menschen zögen sich auf das zurück, was ihnen vertraut sei oder glaubten nur noch, was sie glauben wollten. Die Bereitschaft, sich für andere Perspektiven zu öffnen, gehe dann zurück. Dem Wunsch nach Vertrauen wohne somit ein gewisses Konfliktpotenzial inne.

Hartmann riet dazu, nicht nur auf Umfragen zu schauen, wenn es um die Frage nach dem Vertrauen gehe. Viele Erhebungen hätten zwar ergeben, dass Menschen gesellschaftlichen Institutionen weniger vertrauten. Allerdings zeigten sie nicht, was die Menschen ansonsten umtreibe und bildeten die “Vielfalt des praktisch gelebten Vertrauens” nicht ab. Vertrauen verschwinde nicht einfach, sondern verschiebe sich, Menschen vertrauten heute anderen Personen und Einrichtungen als früher. Das könnten Umfragen allein aber nicht so differenziert aufzeigen.