Eine Plattform ohne Propaganda? Ein Philosoph warnt vor der digitalen Abhängigkeit von den USA – und fordert eine europäische Alternative nach dem Vorbild von Twitter.
Der Bonner Philosoph Markus Gabriel fordert ein europäisches Soziales Netzwerk. Bei einer Zusammenarbeit großer und kleiner Medienunternehmen “könnte etwas entstehen, das an die Bedeutung herankommt, die Twitter zu bessern Zeiten hatte”, sagte er der “Kölnischen Rundschau” (online und Samstagausgabe). “Wichtig wäre es, dass die Politik das koordiniert. Nicht im Sinne eines Staatsprogramms wie in China, sondern im liberalen, marktwirtschaftlichen Sinne”, so der Professor an der Universität Bonn.
Dagegen wäre es nach Gabriels Auffassung verfehlt, etwa durch Gesetze gegen Falschinformationen den Eindruck zu erwecken, man wolle unliebsame Meinungen wegzensieren: “Das wäre ein Brandbeschleuniger”. Stattdessen müsse sich die Politik mit der fast vollständigen Abhängigkeit in der Digitalwirtschaft von den USA befassen. “Das ist unter Umständen noch gefährlicher als die Abhängigkeit von russischem Gas, die wir bis 2022 hatten.”
Gabriel betonte, man lege die Grundfunktionen einer Demokratie lahm, wenn man die Meinungspluralität unterminiere, indem man Meinungen etwa durch Filterblasen oder digitale Bots in Bahnen lenke. Genau das passiere derzeit in Sozialen Netzwerken. “Wenn Sie bei einer derartigen Vernetzung bestimmte Größen erreichen, können Sie die Meinungsbildung relativ leicht manipulieren” Heutige Netzwerkbetreiber und die Köpfe hinter US-Vizepräsident JD Vance kennen diese Mechanismen seiner Einschätzung nach genau.
Gabriel berichtete zudem, er selbst habe gerade ein Unternehmen gegründet, das ein neuartiges Wissensnetzwerk entwickele. Es basiere auf ganz anderen Prinzipien als die derzeit gängigen Sozialen Netzwerke.