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Pflegezeit für Angehörige

Foto: BAGSO e.V./Hemmerich In Deutschland werden die meisten hilfsbedürftigen Menschen, oft Mutter oder Vater, zu Hause gepflegt. Das übernehmen ihre meist berufstätigen Angehörigen. Arbeit und Pflege sind schwer unter einen Hut zu bringen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) fordert deshalb für pflegende Angehörige eine mehrmonatige Pflegezeit nach dem Modell der Elternzeit. Ihr Vorsitzender Franz Müntefering schreibt über den Hilfsbedarf der Helfenden.

Nicht nur zum Muttertag ehren Kinder ihre Mütter. In Deutschland werden die meisten hilfsbedürftigen Menschen, oft Mutter oder Vater, zu Hause gepflegt. Das übernehmen ihre meist berufstätigen Angehörigen. Arbeit und Pflege sind schwer unter einen Hut zu bringen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) fordert deshalb für pflegende Angehörige eine mehrmonatige Pflegezeit nach dem Modell der Elternzeit.

Von Franz Müntefering In Deutschland werden die meisten der 3,3 Millionen Pflegebedürftigen zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Auch dort, wo ein Pflegedienst unterstützt, leisten oft die Angehörigen einen großen Teil der Betreuung und Pflege. Eine erhebliche Anzahl von ihnen ist gleichzeitig berufstätig. Jeder elfte Beschäftigte muss im Alltag Job und Pflege vereinbaren. Dass dies eine hohe Belastung bedeutet, hat eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes gezeigt: 71 Prozent der befragten Betroffenen gaben an, dies häufig zeitlich nur schlecht vereinbaren zu können. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss an dieser Stelle unbedingt gestärkt werden. Pflegende brauchen also dringend Unterstützung, um diese wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe leisten zu können. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren- Organisationen (Bagso), die sich als Interessenvertretung der älteren Menschen versteht, fordert daher wirksame Regelungen für berufstätige pflegende Angehörige – und zwar unabhängig vom Alter der Pflegebedürftigen. Unterstützung, die berufstätigen Eltern für die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder zusteht, sollte vergleichbar auch für pflegende Angehörige gelten. Die aktuellen Regelungen des Pflegestärkungsgesetzes von 2015, die zur Vereinbarkeit von beruflichen und pflegerischen Aufgaben beitragen sollen, reichen nicht aus. Das zinslose Darlehen, das pflegenden Angehörigen seitdem angeboten wird, wurde kaum in Anspruch genommen und hat sich damit nicht bewährt. Zwei Lösungsansätze müssen zügig realisiert werden: Erstens muss es eine wirksame Regelung für pflegende Angehörige geben, die zeitweise wegen der Pflegearbeit ihre Berufstätigkeit aufgeben oder deutlich reduzieren möchten. Dabei sollte der Grad und die Dauer des Pflegebedarfs berücksichtigt werden. Es sind gesetzliche Neuregelungen nötig, bedarfsgerecht, auch mehrmonatige Freistellungen, die aus Steuermitteln finanziert werden. Pflegende brauchen dabei unverzichtbar die Sicherheit, nach dem Ende der Pflegezeit wieder in den Betrieb mit ihrer bisherigen Arbeitszeit zurückkehren zu können. Zweitens: Es sind auch Änderungen beim Anspruch auf zehn arbeitsfreie Tage bei kurzzeitiger Verhinderung durch Pflegeaufgaben notwendig. Beschäftigten mit Pflegeverantwortung sollten diese zehn Tage nicht nur einmalig, sondern jährlich zustehen, wie berufstätigen Eltern, deren Kinder erkranken. Das muss für Betriebe jeder Größe gelten.

Pflege in Deutschland ist immer mehr und für die nächsten Jahrzehnte von erheblichen demografischen Veränderungen bestimmt. Die Lebenserwartung steigt, bei zunehmend guter Gesundheit bis ins höhere Alter. Doch insgesamt nimmt der Betreuungs- und Pflegebedarf zu. Die Pflege zu Hause bleibt quantitativ und qualitativ von großer Bedeutung.

Auf jeden Fall sollten professionelle, haupt- und ehrenamtliche Pflegekräfte und Familienangehörige dabei eng zusammenarbeiten. Dazu brauchen wir auch die besseren Voraussetzungen für die Familienangehörigen oder andere nahe – stehende Personen. Es wäre für Staat und Gesellschaft gut, diese Pflege arbeit angemessen und klar zu unterstützen.

Sonderauswertung zur Verein – barkeit von Arbeit und Pflege des Deutschen Gewerkschaftsbundes, DGB-Index Gute Arbeit: https://tinyurl.com/Arbeit-und- Pflege

Lesen Sie dazu auch unsere Verlagssonderbeilage in dieser Ausgabe und darin den Hinweis auf den Deutschen Seniorentag.