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Pfarrer mit Spenderniere: Organspenderegister ist richtig, aber…

Seit 26 Jahren lebt der Brandenburger Pfarrer Jens Peter Erichsen mit einer Spenderniere. In einem Gastbeitrag begrüßt er das Organspenderegister, hat aber auch einen ganz anderen Vorschlag.

Pfarrer Jens Peter Erichsen lebt seit 26 Jahren mit einer transplantierten Niere. Er begrüßt das neue Online-Organspenderegister.
Pfarrer Jens Peter Erichsen lebt seit 26 Jahren mit einer transplantierten Niere. Er begrüßt das neue Online-Organspenderegister.privat, Imago/ Jochen Tack

Rund 8500 Menschen warten in Deutschland derzeit auf ein ­Spenderorgan. Eine Transplantation kann Leben retten und deutlich verlängern. Ich lebe seit mehr als 26 Jahren mit einer transplantierten Niere und weiß aus Erfahrung, welche Lebensqualität mir das Organ geschenkt hat.

Deshalb ­sollen diejenigen, die noch auf ein Spenderorgan warten, möglichst schnell auch die Möglichkeit dazu bekommen können. Doch da im Jahr derzeit nur rund 900 postmortale Transplantationen durchgeführt werden, warten Menschen zum Beispiel auf eine Niere durchschnittlich etwa 12 Jahre. Das liegt im Vergleich zu vielen Ländern in Deutschland unter anderem daran, dass potenzielle Spender:innen oder ihre Angehörigen einer Organtransplantation ausdrücklich zustimmen müssen. Während etwa in Spanien, wo alle Menschen als potenzielle Organspender:innen gelten, solange sie nicht ausdrücklich widersprochen haben (Widerspruchslösung), die Transplantationszahlen fast fünfmal so hoch sind, werden in Deutschland mit der „erweiterten Zustimmungs­lösung“ noch viel zu wenige Organe transplantiert.

Hausarztpraxen informieren zu wenig

Eine Widerspruchslösung auch in Deutschland einzuführen wurde zuletzt im Januar 2020 vom Bundestag abgelehnt. Stattdessen wurde ein Gesetz „zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft in der Organspende“ verabschiedet. Dies soll die Aufklärung zur Organspende beleben, indem zum Beispiel die Hausarztpraxen regelmäßig dazu informieren sollen. Nach meiner Beobachtung geschieht das aber immer noch bei weitem nicht ­flächendeckend.

Auch wurde ein Onlineregister vorgesehen, in dem jeder Einwohner die eigene Entscheidung zur Organspende dokumentieren kann. Am 18. März 2024 ist dieses – mit zweijähriger Verspätung – an den Start gegangen. Die Eintragung ist freiwillig und kostenlos und auf Datenschutz wird hoher Wert gelegt. Der Vorteil besteht darin, dass diese Entscheidungen im Ernstfall schnell und einfach abzurufen sind. So können die beteiligten Kliniken schneller handeln, denn bei der Organtransplantation zählt jede Minute.

Die herkömmliche Variante: Der Organspendeausweis fürs Portemonnaie
Die herkömmliche Variante: Der Organspendeausweis fürs PortemonnaieImago / osnapix

Grundsätzlich ist die Einführung eines solchen Registers zu begrüßen. Sie kann die Rechtssicherheit auf allen Seiten erhöhen und die Angehörigen im Falle eines – nahezu immer traumatischen – (Hirn-) Todes eines geliebten Menschen entlasten. Allerdings müssen mehrere Hürden überwunden werden, damit Menschen sich in das Onlineregister eintragen können. Zunächst muss die Information über das Register zu den Menschen kommen. Hier muss die Informationspraxis gegenüber dem jetzt Üb­lichen deutlich verbessert werden. Das Gesetz bleibt ein Papiertiger, wenn Selbstverpflichtungen nicht eingehalten und kontrolliert ­werden.

Echter Fortschritt nur mit Widerspruchslösung

Ist die Information über das Register tatsächlich bei den Einzelnen angekommen, müssen diese bereit sein, sich mit der Thematik auseinander zu setzen, sich zu informieren, sich persönlich zu entscheiden und ihre Entscheidung auch im Onlineregister anzuzeigen. Dann müssen sie den recht komplizierten Vorgang der Onlineregistrierung durchlaufen – bis zu neun Schritte –, für den sie mehrere Voraussetzungen wie einen Personalausweis mit freigeschalteter Online-Funk­tion, installierte Ausweis-App, Mailadresse und anderes erfüllen ­müssen.

Viele Politiker:innen, die die ­Einführung des Onlineregisters kommentierten, scheinen selbst keine große Hoffnung auf eine ­signifikante Erhöhung der Transplantationszahlen zu hegen. Und die genannten Hürden stärken diese Skepsis. Auch wenn das Online­register ein guter Schritt ist – ein echter Fortschritt ist erst von einer eingeführten Widerspruchslösung nach dem Modell vieler anderer Länder zu erwarten.

Unser Autor
Jens Peter Erichsen ist Kreispfarrer für Bildung und Ehrenamt im Kirchenkreis Oderland-Spree (Brandenburg).