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So sieht ein Pfarrer aus Odessa den Krieg in der Ukraine

Nach zwei Jahren ist der Krieg aus dem Fokus des Westens geraten, sagt der ukrainische Pfarrer Oleksandr Gross. Dabei sei das Land immer noch abhängig von seinen Partnern.

Oleksandr Gross ist Pfarrer in der Ukraine
Oleksandr Gross ist Pfarrer in der Ukraineepd-bild / Heike Lyding

Der Krieg in der Ukraine ist nach Meinung des ukrainischen Pfarrers Oleksandr Gross aus dem Fokus des Westens geraten. Weder die Menschen noch das Land stünden im Zentrum der westlichen Partnerländer, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gross ist Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU). Am Samstag jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal.

Gross beklagte die Abhängigkeit der Ukraine von ihren Partnern. Der Kriegsausgang liege mehr in den Händen der Partner als in den Händen der Ukrainer. Russland reagiere nur auf starke Gegner, daher brauche es Waffen aus dem Westen. Anders lasse sich der Krieg nicht beenden, betonte er. Russland wolle eine neue Weltordnung etablieren und zerstöre die internationale Rechtsordnung. „Wir schützen die westlichen Werte für uns alle, nicht nur für die Ukraine. Das ist unsere Aufgabe.“

So hilft die Kirche in der Ukraine

Die DELKU sei eine sehr kleine Kirche, die dennoch auch mittels Spenden aus den USA oder den Ländern Nordeuropas viel Gutes tue. „Wir zeigen unserer ukrainischen Bevölkerung, was Kirche ist“, sagte Gross, der Pastor der lutherischen Gemeinde in Odessa ist. „Wir zeigen, dass die Kirche in der Not neben den Menschen steht.“ Die DELKU versorge in der Region Odessa in acht Dörfern etwa 1.000 Menschen mit Lebensmitteln. Sie verteilt Lebensmittelgutscheine an ukrainische Binnenflüchtlinge und organisiert Suppenküchen für arme und kranke Menschen. Das sei zwar nur ein Tropfen im Ozean, aber für die Kirche schon eine große Aufgabe.

Zudem unterstütze die Kirche Binnenflüchtlinge, indem sie Modulhäuser für Familien in einem Ort nahe Odessa errichte, in dem geflüchtete Familien leben könnten. Mithilfe von Spenden des Gustav-Adolfs-Werks, aus den USA und Schweden seien mehrere dieser Häuser gebaut worden. „Die Familien sind nun Teil der Gemeinde, sie leben und arbeiten hier“, sagte Gross.

Eine Art Normalität im Krieg

Ansonsten gebe es eine Art Normalität im Alltag in Odessa. In der Stadt am Schwarzen Meer im Süden der Ukraine sei die Lage dank der Luftabwehr weniger angespannt als etwa im Südosten an der Frontlinie. Aber in Sicherheit lebe niemand in der Ukraine. „Jeder versteht, dass heute der letzte Tag sein kann“, sagte Gross. Besucher und Gäste in Odessa bemerkten aber, dass das Leben recht normal verlaufe. Die Menschen gingen arbeiten, Restaurants hätten geöffnet und der öffentliche Nahverkehr fahre auch. „Diese Normalität ist wichtig, damit die Menschen nicht psychisch zermürbt werden“, sagte der Pfarrer.