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Pfälzer Kirche hat 180 historisch “belastende” Objekte gesammelt

Kriegerdenkmäler in Kirchen, Reliefs, die bei der Saarabstimmung 1935 die deutsche Bevölkerung dazu auffordern, für „Heim ins Reich“ zu votieren, und „Hitlerglocken“ im Kirchturm. Rund 180 Projekte liste das Pilotprojekt „Belastendes Erbes“ der Evangelische Akademie der Pfalz auf, sagte Projektmitarbeiterin Marie Fischer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seit fast zwei Jahren haben sie und eine Kollegin in Kirchengemeinden der Evangelischen Kirche der Pfalz historisch problematische Objekte aus der Zeit des Deutschen Reiches (1871-1945) gesammelt. Derzeit werden die Ergebnisse wissenschaftlich aufgearbeitet, zum Jahresende sollen sie in einer Internetpräsenz veröffentlicht werden.

Mit dem auf zwei Jahre angelegten Projekt nehme die Pfälzer Kirche im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Vorreiterrolle ein, sagte der landeskirchliche Bildungsdezernent, Oberkirchenrat Claus Müller. Materielle Relikte in landeskirchlichem Besitz aus der Zeit der Reichsgründung 1871 bis zum Ende der Nazi-Diktatur 1945 werden demnach erstmals systematisch erfasst, ergänzte Fischer. Ziel sei es, Informationen über „belastende“ Objekte wie Kunstobjekte, Gebäude, Gedenktafeln oder Denkmäler zu sammeln, die mit ihren Darstellungen ein ethisch-politisches Problem darstellten.

Diese würden in Kooperation mit dem landeskirchlichen Zentralarchiv in Speyer in Text und Bild dokumentiert und historisch eingeordnet, sagte Projektmitarbeiterin Lisa Deininger. Dies solle den Kirchengemeinden die Entscheidungsfindung erleichtern, wie sie mit den Objekten umgehen. Abhängen oder hängenlassen: Darüber müssten die Protestantinnen und Protestanten in der Pfalz und Saarpfalz selbst entscheiden. „Wir wollen keinen moralischen Zeigefinger heben“, sagte Deininger. Vielmehr gehe es darum, dass sich die Gemeindemitglieder mit schwierigem materiellen Erbe auseinandersetzten. Oftmals könne ein erklärender Text an einem Objekt hilfreich sein.

In zwei Umfragerunden waren die rund 400 Pfälzer Kirchengemeinden aufgefordert worden, problematische Objekte in ihrem Bereich zu melden. Mit der Zahl der Rückmeldungen sei man zufrieden, so Projektmitarbeiterin Fischer. Gemeldet wurde etwa eine Sandsteinplastik im Kircheneingang im saarländischen St. Ingbert-Rohrbach zur Saarabstimmung von 1935: Sie zeigt ein Paar mit Baby auf dem Arm, das sich „für eine deutsche Lösung“ und gegen den Anschluss an Frankreich ausspricht, erläuterte Fischer. Aufgeführt ist auch das umstrittene Kriegerdenkmal in Ludwigshafen-Ruchheim mit dem Reichsadler auf der Spitze – und die „Hitlerglocke“ mit Hakenkreuz im Turm der protestantischen Kirche in Weisenheim am Berg. Über den innergemeindlichen Streit zum Umgang mit diesem „belastenden Erbe“ hatten auch internationale Medien berichtet.

Die Kirche habe bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte auch eine gesellschaftliche Vorbildfunktion, betonte Projektmitarbeiterin Fischer. Nur wer sein geschichtliches Erbe kenne, der könne aus Fehlern lernen und „konstruktiv in die Zukunft gehen“.