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Paus: Zahlen erschreckend – Evangelische Kirche muss aufarbeiten

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat von der evangelischen Kirche eine systematische institutionelle Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs gefordert. Die Ergebnisse einer bundesweiten Missbrauchsstudie seien erschreckend, erklärte Paus auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag in Berlin. Ihr Mitgefühl gelte allen Betroffenen. Das Vertrauen der Betroffenen in die Institution der evangelischen Kirche sei durch einzelne Täter in abscheulicher Weise ausgenutzt worden.

Paus verwies zugleich auf das geplante Gesetz zur Stärkung des Amtes der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus. Der Referentenentwurf aus ihrem Haus befinde sich in der Ressortabstimmung, betonte die Ministerin. Sie sei zuversichtlich, dass er zeitnah im Bundestag beraten werden könne. Auf ein solches Gesetz hatten sich die Ampelfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Es soll neben dem Amt der Beauftragten auch die bundesweite, unabhängige Aufarbeitungskommission stärken.

Laut der Studie gibt es viel mehr Missbrauchsopfer als erwartet: Danach wurden seit 1946 nach “spekulativen” Hochrechnungen mindestens 9.355 Kinder und Jugendliche in evangelischer Kirche und Diakonie sexuell missbraucht. Zudem gibt es 3.497 Beschuldigte, davon gut ein Drittel Pfarrer oder Vikare. Diese Zahlen errechnen sich nach Angaben der Forscher aus den offiziell zurückgemeldeten Ergebnissen der Landeskirchen aus deren Disziplinarakten und aus den Ergebnissen einer Landeskirche, die sowohl Personal- als auch Disziplinarakten ausgewertet hatte. Außerdem wurden Vergleichsstudien herangezogen.