Der von einem wahren Fall inspirierte Politthriller dreht sich um einen früheren Undercover-Mitarbeiter der französischen Drogenfahndung, der schwere Vorwürfe gegen seine damaligen Vorgesetzten erhebt.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Hubert Antoine (Roschdy Zem) kontaktiert als ehemaliger Undercover-Agent der französischen Drogenfahndung den jungen Zeitungsredakteur Stephane Vilner (Pio Marmai) mit einer Behauptung, die das Potenzial für ein Beben in Politik und Gesellschaft hat: Antoine wirft seinem früheren Vorgesetzten Jacques Billard (Vincent Lindon), dem Chef der zentralen Drogenfahndung in Frankreich, vor, er lasse systematisch Polizisten als Dealer auftreten, um so an die Hintermänner des Drogenhandels heranzukommen; führende Politiker würden diese Machenschaften decken. Der Journalist beginnt zu recherchieren, doch schnell zeigt sich, dass er andere Ziele verfolgt als sein Informant.
Thierry de Perettis auf Tatsachen beruhender Film ist eine spannende, in den Hauptrollen hervorragend gespielte Mischung aus journalistischer Recherche und verschwörerischem Politthriller. Dabei kreieren die Vagheit der Spuren, die Ambiguität der Informationen sowie das Für und Wider der Diskussionen eine bedrohliche Atmosphäre.
Marbella 2012, eine schöne Villa am Strand. Ein großer Mann streift ziellos umher, offenbar nervös, weil etwas nicht stimmt, wie er im Telefongespräch mit seiner Freundin gesteht. Plötzlich rasen drei Schnellboote heran, Lieferwagen fahren vor, Männer verstauen blaue Pakete, bis die Ladung im Hinterhof eines Anwesens verschwindet, immer beobachtet von dem Mann. Offenbar geht es um Drogenschmuggel, von Marokko über Spanien nach Frankreich.
Drei Jahre später in Marseille: Jacques Billard (Vincent Lindon), Chef der zentralen Drogenfahndung in Frankreich, referiert über den Kampf gegen den Drogenhandel, und zwar auf allen Ebenen: “Wir kartographieren und dokumentieren. Wir folgen der Droge.” Dazu gehöre auch, dass die französische Polizei sogenannte “kontrollierte Lieferungen” durchführt, also selbst als Drogenhändler auftritt, um die Hintermänner aufzuspüren. Es gibt allerdings ein Problem: Bei Beschlagnahmungen wird nicht jede Tonne Marihuana wiedergefunden; das Gros der Ware bleibt im Umlauf. Die Oberstaatsanwältin ist deshalb über Billards Methoden entsetzt.
Doch der Stein kommt erst ins Rollen, als Hubert Antoine (Roschdy Zem), der Mann vom Anfang des Films, den Redakteur Stephane Vilner (Pio Marmai) kontaktiert, der bei der Zeitung “Liberation” arbeitet. Er sei ein ehemaliger Undercover-Agent der Drogenfahndung und habe Beweise für die Machenschaften von Billard. Vilner beginnt zu recherchieren. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich sogar eine Art Freundschaft. Doch mehr und mehr zeigt sich, dass sie unterschiedliche Ziele verfolgen.
“Muss man in Frankreich einen Pablo Escobar erschaffen, um 40 Drogenhändler zu schnappen?”, wird einmal gefragt, und das macht das moralische Dilemma deutlich: der Staat als Drogenhändler. Während Billard stets behauptet, eine großangelegte Strategie zu verfolgen, klagt ihn Vilner der persönlichen Bereicherung an. Wer hat recht? Und wird Billards Vorgehen vielleicht sogar von den zuständigen Politikern gedeckt? Klar ist, dass sich Vilner durch seine Enthüllungen in Gefahr bringt, während Billard um seine Reputation kämpft.
Mit einem Mal ist der Film, der auf dem Buch “L’Infiltre” von Hubert Avoine und Emmanuel Fansten beruht, das wiederum auf den Fall “Francois Thierry” zurückgeht, mittendrin in einer Mischung aus journalistischer Recherche und verschwörerischem Politthriller; das Drehbuch wurde beim französischen Filmpreis Cesar in diesem Jahr als beste Adaption nominiert.
Regisseur Thierry de Peretti wählt dabei einen halbdokumentarischen Stil, der den Akteuren sachlich, fast unbeteiligt zusieht, häufig aus der Distanz, oder sie in hitzigen Dialogen ihre Standpunkte ausfechten lässt. Der Zuschauer muss dabei, ähnlich wie der recherchierende Journalist, die Informationen verstehen und einordnen, die Wahrheit herausfiltern und irgendwie einen Weg durch das Dunkel finden. Doch ähnlich wie im Paranoia-Klassiker “Zeuge einer Verschwörung” (1974) von Alan J. Pakula verlaufen auch hier die Recherchen im Sand. Das Buch, das Vilner und Antoine über den Fall schreiben, erregt kein Aufsehen und bleibt ohne Folgen.
Spannend ist auch die Beziehung zwischen Informant und Journalist. Roschdy Zem und Pio Marmai verkörpern vielschichtige, widersprüchliche Figuren, deren Freundschaft überaus fragil ist. Die Zeichnung der Charaktere, die Vagheit der Spuren, die Ambiguität der Informationen, das Für und Wider der Diskussionen, aber auch die spärlich akzentuierten Actionszenen tragen so zu einer bedrohlichen Atmosphäre bei, die durch das fast quadratische, beengende 4:3-Format noch verdichtet wird. Hier kann man niemanden trauen, schon gar nicht dem Staat. Schlimmer aber noch ist, dass sich am eigentlichen Problem, dem Drogenhandel, nichts ändert.