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Orgel trifft Schlagzeug

In Herford informierten sich Interessierte aus ganz Deutschland über den neuen Studiengang „Kirchenmusik popular“, der im Oktober startet

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HERFORD – Am Anfang wird geklatscht: Dreier-, Fünfer-, Neuner-Rhythmen sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Info-Tages zum neuen Studiengang „Kirchenmusik popular“ mit Händen und Füßen erzeugen. Hartmut Naumann, Leiter des Studiengangs an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford, bringt die rund 30 Interessierten samt Begleitpersonen erst einmal richtig in Schwung.
Die folgende Vorstellungsrunde macht deutlich, dass die Teilnehmer durchweg aus der Praxis kommen. Viele spielen in Bands, leiten Chöre oder sind als Aushilfsorganisten tätig. Die jüngsten der aus ganz Deutschland Angereisten sind 14 und 15, die älteste ist 56. Entsprechend reicht das Interesse an dem kirchlichen Pop-Studium vom ersten Hineinschnuppern bis hin zu dem Wunsch, lange praktizierte Ehrenamtlichkeit zu professionalisieren und vielleicht sogar zum Beruf zu machen.
Die Informationen zu der neuen Ausbildung von Studienleiter Hartmut Naumann und Klavier-Dozent Dieter Falk stellen einige dann vor Fragen: Muss man Klavier oder Gitarre als Hauptfach nehmen? – Antwort: Ja, denn eines der grundlegenden Ziele des Studiums ist die „stilistisch angemessene Begleitung von Gemeindegesang“, und das geht nur mit einem Instrument, das Akkorde spielen kann. Wozu dann noch Orgelspielen lernen? – Antwort: Zu dem Beruf gehört die kirchenmusikalische Grundversorgung einer Gemeinde, auch im traditionellen Stil. Und wie sieht es mit Studiengebühren aus? – Antwort: Es gibt keine, nur einen geringen Semesterbeitrag. Das Studium wird von der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Evangelischen Kirche in Deutschland finanziert.
Vor dem Studium steht allerdings eine Aufnahmeprüfung, in der Klavier- und Gitarrespiel, Singen, Chorleitung, Tonsatz und das Bestimmen von Akkorden nach dem Gehör gefordert werden. Naumann und Falk beruhigen: Die Anforderungen sind zwar hoch – aber nicht alles muss bereits vor Beginn des Studiums perfekt sein. „Wir wollen vor allem Leute, die musikalisch sind“, so Falk.
Nadja Simon, 37 Jahre alt, ist eine derer, die sich in Herford informieren. Sie ist überzeugt davon, mit dem neuen Studiengang genau das Richtige gefunden zu haben. Die gelernte Erzieherin aus einer freikirchlichen Gemeinde in Solingen erzählt, dass sie schon eine ganze Weile nach der Möglichkeit gesucht hat, Popmusik und Gemeindearbeit zu verbindet. Einen C-Kurs im Bereich Pop-Musik in der Nordkirche hat sie bereits gemacht, findet auf dieser Grundlage bisher aber keine Anstellung. Sie selbst ist mit moderner Musik im Gottesdienst groß geworden, aber: „Ich habe schon gemerkt, dass es ohne Orgelkenntnisse nicht geht“, erzählt sie.
„Ob ich später wirklich in einer Gemeinde arbeiten will, weiß ich jetzt noch gar nicht“, sagt dagegen Patrick Zindorf. Der 19-jährige Abiturient aus Boppard ist zwar seit längerem Aushilfsorganist in verschiedenen katholischen und evangelischen Gemeinden seines Kreises, aber auf Kirche will er sich erstmal nicht festlegen. Zur Zeit schaut er sich verschiedene Studiengänge an, die Musik und Medien verbinden. Die Studienfächer Theologie, Psychologie und Pädagogik, die in der Hochschule für Kirchenmusik zum Fächerkanon gehören, scheinen ihm da hilfreich.
Auch Jan Philipp Klaus aus Allenbach bei Siegen hat nicht unbedingt die Arbeit als Kirchenmusiker vor Augen. Nach zwei Semestern Theologiestudium ist der 21-Jährige eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass Gemeinde doch nicht das Richtige ist für ihn. Das kirchliche Pop-Studium interessiert ihn dennoch. „Ich kann mir gut vorstellen, damit in den sozialen Bereich zu gehen, also zum Beispiel Band-Projekte mit benachteiligten Jugendlichen zu machen“, sagt er. Beide jungen Männer finden, es sei „höchste Zeit“ für eine Pop-Ausbildung im Bereich der Kirche. „Wir brauchen die Freiheit, in den Gemeinden zu entscheiden, welche Musik gespielt werden soll“, sagt Klaus. „Es muss Platz sein für Klassik und für Pop.“ Und Zindorf fügt hinzu: „Musik ist doch die beste Art, Menschen zu begeistern. Dafür brauchen wir Pop in der Kirche.“