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ORF/ZDF-Krimi um eine Mordserie an Senioren

Chefinspektorin Acham reist in die Kärntner Provinz, um mit den Kollegen vor Ort zu einer Mordserie an alleinstehenden Senioren zu ermitteln. Doch das zentrale Thema – Einsamkeit – betrifft nicht nur die Rentner…

Kalt ist es in diesem Film: Der Ossiacher See liegt in kühl-gedeckten blau-braunen Winterfarben da, die Sonne scheint sich hier in Kärnten niemals zu zeigen, man trägt dicke Jacken und Schals, der Atem bildet Wölkchen. Aber auch in den Gebäuden, etwa auf dem Polizeirevier, ist es kalt: Es muss gespart werden, das Geld ist knapp. Wenn es dann doch mal warm ist – im Haus von der Frau Strohmeyer etwa, wo der Radiator läuft -, dann stinkt es: Denn die alleinstehende Rentnerin ist offenbar schon seit Tagen tot. “Bis in die Seele ist mir kalt” heißt folgerichtig der Film aus der “Landkrimi”-Reihe des ORF, den das ZDF am 27. Dezember von 21.45 bis 23.15 Uhr ausstrahlt.

Die Temperaturen auf der Celsius-Skala bilden dabei nur den äußeren Rahmen für eine Story, die vor allem von innerer Kälte, von Einsamkeit handelt. Der Film beginnt damit, dass Chefinspektorin Acham (Pia Herzegger) aus Klagenfurt anreist, um die Kollegen auf dem Land bei den Ermittlungen zu einer mutmaßlichen Mordserie zu unterstützen.

Polizeikommissarin Martina Schober (Jutta Fastian) und Acham kennen und mögen sich von früher, es geht im Film auch um die zarte, leicht distanzierte, nicht ganz gleichgewichtige Freundschaft zwischen den zwei Frauen. Martina und ihr Chef Rauchenberger (Clemens Berndorff) glauben nach sieben dahingeschiedenen Senioren in einem Monat so langsam nicht mehr an die Theorie von der “natürlichen Übersterblichkeit”.

Doch scheint bei den Toten, die ohne sichtbare Fremdeinwirkung starben, nichts gestohlen worden zu sein. Was sich allerdings mehrfach findet: eine Visitenkarte des Immobilienunternehmers Leo Fuhrmann (Fritz Karl). Half der Unternehmer nach, um an günstige Baugrundstücke zu kommen? Auch weitere Anwohner rücken in den Fokus: Der arbeitslose Dampfplauderer Mario (Kevin Brand). Der Arzt Dr. Jassim (Faris Endris Rahoma), der allen Toten zuvor Hausbesuche abstattete. Oder die Bioladenbesitzerin Ute (Alicia von Rittberg), die die Senioren mit Lebensmitteln beliefert und Botengänge zu Apotheke oder Bank macht.

Es ist ein stimmiges Milieu mit spannenden, vielschichtigen Figuren, das Drehbuchautorin Pia Herzegger, die auch eine der Hauptrollen spielt, unter Verwendung von Figuren aus Alexandra Bleyers Roman “Waidmannsdank” entwirft. Zu den bereits genannten gesellen sich die womöglich leicht demente, nichtsdestotrotz aber äußerst wehrhafte Frau Gritznig, herrlich gespielt von Linde Prelog, die Bootsverleiherin Jenny (Sophie Aujesky) sowie Utes Lebensgefährte Gregor (Stefan Gorski): Seit einem Unfall am Haus von Frau Diringer, einer der Toten, ist er querschnittsgelähmt.

All diese Protagonisten sind überzeugend gezeichnet, gespielt und in Szene gesetzt. Einsam sind hier bei Weitem nicht nur die Alten: Martina, die seit ihrem Umzug an den Ossiacher See noch immer nicht recht Fuß gefasst hat, Ute, eine weitere “Zugezogene”, die allein ist mit ihren Sorgen um Mann, Sohn und die finanzielle Lage der kleinen Familie.

Der reale politisch-gesellschaftliche Hintergrund aus Corona-Folgen, Ukraine-Krieg, Inflation, Flucht, Verödung der Provinz schwingt hier immer mit, meist dezent. Nur gelegentlich auch mal ein wenig holzhammerhaft: wenn die strenge Acham dramaturgisch nicht unbedingt zwingend auf die ertrunkenen Flüchtlingskinder im Mittelmeer oder soziale Ungleichheit verweist. Gerade Letzteres oszilliert hier so stimmig über Story, Figuren und Bilder, da braucht es gar keine weiteren Worte. Ohnehin beeindruckt die Kamera von André Mayerhofer, ebenso wie das Szenenbild von Alexandra Pilhatsch und die Musik von Herwig Zamernik.

All diese Gewerke schaffen eine Atmosphäre, die frösteln macht. Und doch ist “Bis in die Seele ist mir kalt” nicht erdenschwer, schafft gerade auch durch die Musikspur, schöne Regieeinfälle und einen leisen, wenn auch nicht immer zündenden Humor eine gewisse Leichtigkeit: Dabei entsteht ein so spannender wie differenzierter Kommentar zu einem der Themen unserer Zeit, der vielzitierten Epidemie der Einsamkeit.