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ÖRK und Israel: Völlig einseitig!

Kritik an Israels Politik ist notwendig – doch pauschale Verurteilungen helfen nicht weiter. Ein Kommentar von Gerd-Matthias Hoeffchen zur Erklärung des Weltkirchenrates.

Die Erklärung des ÖRK zeigt: Der Nahostkonflikt verlangt von Kirchen mehr als moralische Entrüstung
Die Erklärung des ÖRK zeigt: Der Nahostkonflikt verlangt von Kirchen mehr als moralische EntrüstungImago / Olaf Schuelke

Die israelische Regierungspolitik unter Benjamin Netanjahu gibt in vielerlei Hinsicht Anlass zu Sorge und Kritik. Militärische Aktionen im Gazastreifen, die unter dem Begriff der ausgeweiteten Selbstverteidigung laufen, verletzen nach Ansicht vieler Hilfsorganisationen das humanitäre Völkerrecht. Die hohe Zahl ziviler Opfer und die Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur sind unverhältnismäßig und moralisch fragwürdig. Das mit deutlichen Worten zu kritisieren, ist notwendig und gehört zur Verantwortung der Kirchen.

Israel als “Apartheidsstaat” verurteilt

Doch die jüngste Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) schießt weit über dieses berechtigte Anliegen hinaus. Indem sie Israel als „Apartheidsstaat“ verurteilt und den mörderischen Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 als Auslöser der Eskalation unerwähnt lässt, fehlt jede notwendige Ausgewogenheit. Eine solche Vereinfachung wird der historischen und politischen Komplexität des Nahostkonflikts nicht gerecht.

Besonders problematisch ist der Vorwurf der Apartheid. Ja, Israels Vorgehen in den besetzten Gebieten ist mehr als bedenklich. Aber der Begriff „Apartheid“ ist umstritten; er bezeichnet das frühere rassistische Herrschaftssystem in Südafrika, das durch systematische, gesetzlich verankerte Trennung und Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit geprägt war. Dagegen besitzen arabische Israelis – wenn auch eingeschränkte – Bürgerrechte, können wählen und sind im Parlament vertreten; es gibt palästinensische Selbstverwaltungsstrukturen. Die Verantwortung für die katastrophale Lage in Gaza liegt nicht allein bei Israel. Die Terrororganisation Hamas wusste, was sie mit ihrem Angriff auslösen würde.

EKD lehnt Apartheid-Begriff ab

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Bischofskonferenz lehnen den Apartheid-Begriff ab – geprägt von der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel. Diese Haltung ist Ausdruck einer Theologie nach Auschwitz, die sich gegen Antisemitismus und für Menschenrechte einsetzt. Das ist zurzeit ein Balance-Akt.

Die Erklärung des ÖRK zeigt, dass diese deutsche Haltung weltweit eine Minderheitenposition ist. Die Herausforderung für den ÖRK wird sein, eine Sprache und Haltung zu finden, die sowohl die berechtigte Kritik an israelischer Politik deutlich macht als auch Gewalt und Verantwortung der palästinensischen Seite in den Blick nimmt – ohne einseitige Schuldzuweisungen.