In einem neuen Gutachten wirft der Internationale Gerichtshof in Den Haag Israel schwere Verstöße vor. Rechtlich bindend ist es zwar nicht, doch der diplomatische Druck auf die israelische Regierung könnte zunehmen.
Israels Vorgehen in den besetzten palästinensischen Gebieten ist nach Einschätzung des höchsten Gerichts der Vereinten Nationen unrechtmäßig. In einem am Freitag in Den Haag verlesenen Gutachten wird Israel aufgefordert, den Siedlungsbau zu stoppen und Entschädigungen zu leisten – auch durch Rückgabe von Land.
Es gebe hinreichende Beweise dafür, dass Israel seine Bürger ermutige, in die besetzten Gebiete zu ziehen, so Richter Nawaf Salam. Der Ausbau jüdischer Siedlungen beruhe auf Beschlagnahmung großer Ländereien der palästinensischen Bevölkerung. Ebenfalls illegal sei Israels Ausbeutung natürlicher Ressourcen in den besetzten Gebieten.
Das Gericht rief die internationale Gemeinschaft auf, die unrechtmäßigen Verhältnisse nicht anzuerkennen. Den Auftrag für das Gutachten hatte die UN-Generalversammlung bereits Ende 2022 erteilt – also noch vor Ausbruch des aktuellen Gazakriegs.
In einer ersten Reaktion bezeichnete Israels UN-Botschafter Danny Danon die nun vorgelegten Einschätzungen als “bedauerlich, aber erwartbar”. Das UN-Gericht sei leider zu einem “politischen Zirkus” verkommen. “Der Staat Israel wird sein historisches Recht auf sein Land niemals aufgeben”, so Danon.
Die Schlussfolgerungen des Internationalen Gerichtshofs sind rechtlich nicht bindend, könnten aber den diplomatischen Druck auf Israel erhöhen. Bei den Anhörungen waren Vertreter von insgesamt 52 Staaten beteiligt. Deutschland wirkte – wie Israel – nicht an dem Verfahren mit.
Israel hatte im Zuge des Sechstagekriegs 1967 Ost-Jerusalem, das Westjordanland, Gaza und die Golanhöhen besetzt. Nach israelischem Recht wurden der Golan und Ost-Jerusalem später durch Annektierung Bestandteile Israels, über die es volle Souveränität ausübt. Aus dem Gazastreifen zog sich Israel 2005 vollständig zurück, riegelte den Landstrich aber nach Machtübernahme der Terrororganisation Hamas 2007 ab.
Zahlreiche Staaten, darunter Deutschland, erkennen die israelische Souveränität über Ostjerusalem nicht an. Gewalt radikaler israelischer Siedler und der massive Ausbau von jüdischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten sind zunehmend Gegenstand internationaler Kritik.