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Nur auf dem Papier sind alle Menschen gleich

Wenn zwei Menschen dasselbe auf vergleichbarer Rechtsgrundlage wünschen, erhalten sie auf deutschen Ämtern nicht dasselbe. So lautet stark verkürzt das Ergebnis einer Analyse von drei Forschenden an der Universität Konstanz. Sie fanden nach aufwändigen Feldstudien heraus, dass Personen mit vergleichbaren Rechten im bundesweiten Vergleich teils „erheblich unterschiedlich behandelt“ werden.

Damit verstoßen die Behördenvertreter den Wissenschaftlern zufolge gegen den Gleichheitsgrundsatz, der für alle Antragsteller gelten sollte – unabhängig davon, ob sie aus Baden, Bulgarien oder Nigeria stammen, so ein Ergebnis. An der Studie waren neben dem Politologen Professor Gerald Schneider auch die beiden Doktorandinnen Maren Lüdecke und Stefanie Rueß im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ (Politik der Ungleichheit) beteiligt.

„Leute mit gleichem Anliegen werden ungleich behandelt“, so fasst Schneider das Ergebnis im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) zusammen. Seine Arbeitsgruppe hat unter anderem Auskünfte von etwa 1.400 Mitarbeitern in verschiedenen Jobcentern eingeholt. Dabei stellte sie fest, dass bei Entscheidungen beispielsweise beim Bürgergeld verschiedene Messlatten angelegt werden. Die Auslegungen des Rechts unterscheiden sich, analysieren die drei Wissenschaftler.

Ein Grund dafür sei, dass die persönliche Einstellung und politische Haltung der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Jobcenter deren Entscheidung stark beeinflusse. „Es spielt eine Rolle, ob der Name auf einem Formular deutsch, rumänisch oder marokkanisch ist“, erläutert Politologe Schneider. Das widerspreche einem der wichtigsten Leitsätze des Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“.

Greifbar sind laut der Studie negative Voreinstellungen auch bei Entscheidungen zum Asylrecht und damit zur Frage, ob ein Antragsteller in Deutschland bleiben dürfe oder nicht. Schneider spricht hier von „extra-legalen Faktoren“, die eine Entscheidung beeinflussen – also Einflüssen, die mit einer rechtlich basierten Entscheidung nichts zu tun haben dürften.

Dazu komme auch eine „ausgrenzende, migrationsfeindliche Medienberichterstattung“, so der Forscher. Sie könne den Sachbearbeiter in einem Jobcenter oder die Richterin am Verwaltungsgericht in einer diskriminierenden Haltung bestärken.

Die Wissenschaftler stießen dabei immer wieder auf starke regionale Unterschiede: In Bremen wurden zeitweise alle Asylanträge positiv beschieden. Dies sei ein Akt der positiven Diskriminierung, in dem offenbar gar nicht genauer in die Papiere geschaut wurde.

Anders Thüringen: Dort berichtet Schneider von zwei Richtern an Verwaltungsgerichten, die Asylbewerber aus Nigeria abgelehnt hätten. Eine genaue Prüfung ihres Asylantrags hätte dabei nicht stattgefunden. Die beiden Richter hätten der AfD nahegestanden.

Die Politologen bemängeln den intransparenten Stil der Verwaltung. „Wir mussten dicke Bretter bohren“, sagte Schneider. So hätten die Behörden Auskünfte und Daten teils nur zögerlich herausgegeben. Der Datenschutz habe dabei häufig als Vorwand gedient. (2841/19.12.2024)