Die nordrhein-westfälische Landesregierung will mit einem Zehn-Punkte-Plan stärker gegen Antisemitismus vorgehen. Präventionsarbeit, Begegnungsmöglichkeiten, Bildungsangebote und die Erfassung von Antisemitismus an Schulen solle ausgebaut werden, kündigte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf an. Mit dem Plan wolle man den Solidaritätsbekundungen nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel Taten folgen lassen. Die zehn Maßnahmen würden von einer Kampagne mit dem Titel #NieWiederIstJetzt begleitet, mit der im Internet dazu aufgerufen werde, sich gegen Antisemitismus, Hass und Hetze zu stellen.
So sollen etwa Lehrerinnen und Lehrer durch Schulungen dabei unterstützt werden, auf Antisemitismus an Schulen gut reagieren zu können, erklärte Wüst. Zudem sollen Begegnungsmöglichkeiten gestärkt, ein Meldesystem für antisemitische Vorfälle eingeführt und Schulkooperationen zwischen Schulen in Israel und Nordrhein-Westfalen ausgebaut werden. Auch im Kinder- und Jugendförderplan werde ein Schwerpunkt auf Antisemitismus gesetzt und die Präventionsarbeit verstärkt. Der Ministerpräsident appellierte zudem an die Verantwortung von Eltern. Über Social-Media-Plattformen wie TikTok würden viel Hass und Falschinformationen zum Nahostkonflikt verbreitet. „Lassen Sie ihr Kind nicht allein damit.“
Die Antisemitismusbeauftragte für NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), berichtete von ihren Eindrücken aus jüdische Gemeinden. Die Menschen lebten aktuell in Sorge und Unsicherheit, gingen seltener in die Synagoge und hätten Angst, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Seit dem 7. Oktober, dem Tag des Raketen-Angriffs der islamistischen Terrororganisation Hamas aus dem Gaza-Streifen auf Israel mit Verschleppungen und Tötungen im Grenzgebiet, gebe es über 380 Verfahren wegen antisemitischer Vorfälle in NRW, etwa Sachbeschädigungen, an Häuser geschmierte Judensterne, die Zerstörung israelischer Flaggen, Volksverhetzung oder Gewaltdelikte. Antisemitismus nur zu verurteilen, sei nicht genug. Es müsse auch dagegen vorgegangen werden, sagte die Landesbeauftragte.
Das Land plane, zusätzliche 11,5 Millionen Euro für die Sicherung von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen bereitzustellen, sagte Wüst. Beratungsangebote würden ausgebaut und die Justiz für einen besseren Umgang mit antisemitischen Vorfällen geschult. Israelische Kommunen nahe des Gazastreifens sollen zudem beim Wiederaufbau unterstützt werden, etwa durch Partnerschaften mit Kommunen aus NRW.
Mit Blick auf antisemitische Parolen und Plakate bei pro-palästinensischen Demonstrationen in NRW sagte Wüst, die Landesregierung prüfe, ob rechtliche Instrumente angepasst werden müssten. Einige Gruppen nutzten die Grenzen und Grauzonen des Rechtsstaats gezielt aus. Teilweise würden Flaggen kreiert und Reden gehalten, die problematisch, aber strafrechtlich nicht relevant seien. Das sei etwa bei der islamistischen Demonstration am vergangenen Freitag in Essen der Fall gewesen.
Die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, sich an Aktionen gegen Antisemitismus zu beteiligen. Die Zivilgesellschaft müsse „lauter werden“ und solle sich zeigen, sagte die NRW-Wirtschaftsministerin.
Für Mittwochabend hatten die katholische und evangelische Kirche in Köln zu einem Schweigemarsch im Gedenken an die Reichspogromnacht während der NS-Zeit und die Opfer der terroristischen Angriffe gegen Israel aufgerufen. Auch Wüst und Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) hatten ihre Teilnahme zugesagt. Er wünsche sich, dass viele Bürgerinnen und Bürger solchen Aufrufen folgten, sagte der Ministerpräsident.