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Nimm es sportlich!

Über den Predigttext am Sonntag Septuagesimä: 1. Korinther 9,24-27

Matthias Grosse

Predigttext
24 Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. 25 Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. 26 Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, 27 sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Kindchen, wo kommst du denn jetzt noch her?“, fragte unser Lehrer sichtlich amüsiert. Als letzte aus meiner Klasse hatte auch ich endlich die Ziellinie erreicht. Ungefähr fünf- oder sechshundert Meter hatten wir laufen müssen, auf einem Feldweg direkt hinter unserer kleinen Dorfgrundschule. Es war das erste Mal in meinen bis dahin sieben Lebensjahren, dass ich eine so lange Strecke hatte rennen müssen. Aber alle Anstrengung hatte nichts genützt. Ich fühlte mich schrecklich blamiert. Nur mit Mühe konnte ich die Tränen zurückhalten.

Den inneren Schweinehund überwinden

Ob es diese Erfahrung war, die mir den Sportunterricht nachhaltig verleidet hat? Jedenfalls habe ich erst mit 30 begonnen, freiwillig Sport zu treiben. Seitdem gehe ich regelmäßig laufen. Zwei-, dreimal die Woche drehe ich meine Runden durch den Wald. Beim Laufen bekomme ich den Kopf frei. Die von der Schreibtischarbeit verspannte Muskulatur lockert sich. Ein herrliches Gefühl!
Ich laufe, weil es mir gut tut und nicht, weil ich ein bestimmtes Leistungsziel anstrebe. Allerdings gilt auch für Freizeitsportler wie mich: Der innere Schweinehund muss überwunden werden. Immer wieder neu, selbst dann wenn man lediglich eine bestimmte Ausdauer-Fitness erhalten möchte.
Im Korintherbrief vergleicht Paulus die Anstrengungen, die er als Apostel und Missionar auf sich nimmt, gar mit den Anforderungen im Leistungssport. In Korinth wurden alle zwei Jahre die Isthmischen Spiele ausgetragen, neben der Olympiade das zweitgrößte Sportereignis in der antiken Welt. Alle in Korinth wussten: Wer gewinnen will, muss extrem hart trainieren und auch sonst äußerste Disziplin walten lassen. Und das alles für einen flüchtigen Augenblick des Triumphs. Symbolisiert durch einen Siegeskranz, der bald verwelkt.
Das Ziel hingegen, dem Paulus alles andere unterordnet, hat eine ewige Perspektive. Die Menschen sollen das Evangelium von Jesus Christus hören und annehmen. Dafür ist Paulus um die halbe Welt gereist und hat eine Menge Gefahren und Unannehmlichkeiten in Kauf genommen. Bei seinen Reisen traf er auf Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen, sozialen und religiösen Wurzeln. Auf sie alle musste er sich einstellen, wenn er verstanden werden wollte. Wenn er erklären wollte, was es bedeutet, Jesus als den wahren König und Herrn dieser Welt anzuerkennen, dann war es ganz sicher nicht unerheblich, ob ein hin- und her geschubster Sklave zuhörte oder ein freier, wohlhabender römischer Bürger.
Paulus muss im Laufe seines Dienstes ein hohes Maß von dem entwickelt haben, was wir heute „soziale und interkulturelle Kompetenz“ nennen. Fähigkeiten, die einem in der Regel nicht einfach in den Schoß fallen, sondern die man durchaus trainieren muss, wenn man wirklich verstanden werden will.
Ganz ähnliche Erfahrungen machen wir heute auch in unseren Gemeinden. Wenn wir versuchen, auf Menschen zuzugehen, die dem christlichen Glauben fernstehen, merken wir: So einfach funktioniert das nicht. „Wir haben die Menschen in Massen verloren und können sie nur einzeln zurückgewinnen“, sagte vor einiger Zeit der Bischof einer ostdeutschen Kirche.

Mehr wert als Goldmedaillen

Das hört sich anstrengend an. Wir können darüber jammern und klagen. Viel hilfreicher dürfte jedoch sein, von Paulus zu lernen und die Herausforderungen unserer Zeit schlicht und einfach sportlich zu nehmen. Und uns zu freuen, wenn wir mitbekommen, dass jemand, vielleicht zum ersten Mal im Leben, etwas von der befreienden Kraft des Evangeliums verspürt. Mit dabei zu sein, wenn das geschieht, ist ganz sicher jede Mühe wert. Mehr jedenfalls als irgendwelche Siegeskränze oder Goldmedaillen.