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Nichts als warten

Für jugendliche Flüchtlinge fehlen Wohnplätze, Lehrer und Ausbildungsmöglichkeiten

BIELEFELD-BETHEL – Die Arbeit mit jugendlichen  männlichen Flüchtlingen ist seit den Ereignissen der Silvesternacht schwerer geworden. „Die Diskussionen um die Übergriffe machen auch das Leben der Jugendlichen, die wir betreuen, nicht leichter“, sagte Michael Walde, Regionalleiter der Jugendhilfe Bethel in Bielefeld. Minderjährige alleinreisende Flüchtlinge, die in Einrichtungen der Jugendhilfe Bethel betreut werden, hätten bereits Übergriffe und Anfeindungen erlebt, berichtete Vanessa Dobler, die die Wohngruppe Libanon für männliche Jugendliche in Bethel leitet.
Nach Auskunft Waldes ist Bielefeld ein zentraler Anlaufpunkt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Dadurch, dass hier eine Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge untergebracht ist, landen auch die unbegleiteten Jugendlichen hier.“ Die ursprünglich 80 Plätze in Bielefelder Jugendhilfeeinrichtungen seien mit Notunterkünften zurzeit auf rund 230 Plätze aufgestockt. Die meisten davon entsprächen nicht den Jugendhilfestandards und dürften nur mit Ausnahmegenehmigungen des Jugendamtes betrieben werden, wie Walde erklärte. Es fehle außerdem an Personal, Schul- und Ausbildungsplätzen sowie an Wohnraum für die Zeit nach der Erstaufnahme und dem Clearing-Verfahren.
Trotz der Schwierigkeiten werden die v. Bodelschwinghschen Stiftungen auch weiterhin unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreuen, betonte Bethel-Pressesprecher Jens U. Garlichs. Dies verstehe die Stiftung als ihren christlichen Auftrag zur Nächstenliebe, der auch der Gesellschaft zugute komme.
In der Wohngruppe Libanon in Bielefeld-Bethel leben junge Männer wie der 15-jährige Dyar Hussein aus Syrien und Devi Kala, 16 Jahre alt, aus Albanien. Dyar stammt aus der umkämpften Stadt Kobane, wie er in stockendem Deutsch erzählt. Seine Eltern schickten ihn mit seinem Bruder allein auf die Flucht. Die Familie lebt inzwischen in der Türkei.
Die jungen Männer in der Wohngruppe haben einige Stunden Deutschunterricht in der Woche. Neben etwas Haushaltsarbeit und mit viel Glück einem Praktikum machen sie vor allem eins: Warten auf die Entscheidungen der Bürokratie. Dyars größter Wunsch: möglichst bald seine Mutter wiederzusehen. Bevor allerdings sein Clearing-Verfahren, also die Feststellung seines Status als Minderjähriger mit Asylanspruch, nicht abgeschlossen ist, hat er keine Chance, einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen.