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Neuverfilmung der “Schachnovelle” mit brillanten Darstellern

Neuverfilmung der berühmten Novelle von Stefan Zweig um einen jüdischen Anwalt aus Wien, der den Nazis Zugang zu den Konten des österreichischen Adels verschaffen soll.

Neuverfilmung der berühmten Novelle von Stefan Zweig um einen jüdischen Anwalt aus Wien, der den Nazis Zugang zu den Konten des österreichischen Adels verschaffen soll.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Neuverfilmung der berühmten Novelle von Stefan Zweig: Nach dem “Anschluss” Österreichs gerät der jüdische Anwalt Josef Bartok (Oliver Masucci) in die Fänge der Gestapo, die Zugang zu den Konten des österreichischen Adels will. Als der Jurist sich weigert, wird er in einem Luxushotel über Monate in Isolationshaft gesteckt, wo der Nazi-Verhörspezialist Franz-Josef Böhm (Albrecht Schuch) ihn durch das Fehlen jeder Form von Beschäftigung mürbe machen will.

Doch Bartok gelangt in den Besitz eines Schach-Lehrbuches und findet in den Schachpartien die für ihn lebenswichtige Abwechslung. Auf einer zweiten Zeitebene zeigt der Film von Philipp Stölzl außerdem die Welt nach Ende des Kriegs, in der sich ein sichtlich psychisch versehrter Bartok auf einer Schiffsfahrt nach Amerika befindet. Mit an Bord: Schachweltmeister Mirki Czentovic – ein Doppelgänger seines Nazipeinigers.

Die Neuadaption erweitert die Vorlage ins Fantastisch-Psychotische, wobei sie die Vorlage zugleich ins Bildungsbürgerliche verschiebt. Der Film ist damit keine simple Bebilderung der Novelle, sondern eine ambitionierte, interpretatorisch vielschichtige Literaturverfilmung, in der vor allem die Darsteller überzeugen.

Weltliteratur-Verfilmungen hatten in den letzten Jahren Hochkonjunktur. Nach Hesses “Narziss und Goldmund”, Kästners “Fabian” und Thomas Manns “Felix Krull” kam 2020 schließlich Stefan Zweig mit seinem wohl populärsten Werk, der “Schachnovelle”.

Was will die Branche damit zu verstehen geben? Dass man in ungewissen Zeiten am liebsten auf Nummer sicher geht und (Alt-)Bewährtem vertraut? Oder dass alle gerne hemmungslos der Nostalgie frönen und sich willig in schöne (Krull) und sogar in weniger schöne (Kästner) vergangene Epochen transportieren lassen?

Sehnsucht nach der “Welt von gestern” war ja von jeher ein starkes Thema bei Stefan Zweig. Die Zeiten, von denen seine Novelle handelt, könnten grimmiger kaum sein: Es ist das Österreich nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1938. In Philipp Stölzls Neuverfilmung (Buch: Eldar Grigorian) ist Dr. Josef Bartok (Oliver Masucci) ein Wiener Notar mit notorisch schlechtem politischen Instinkt.

Obwohl er nämlich Sachwalter mehrerer potenziell bedrohter Firmen und Personen ist, spielt er die Gefahr eines Umsturzes trotz etlicher Warnungen großmännisch herunter, bis es zu spät ist und er in die Fänge des eiskalt agierenden Gestapo-Chefs Franz-Josef Böhm (Albrecht Schuch) gerät, der – ganz Kulturmensch (!) – im Gespräch über einer Partie Schach versucht, die begehrten Informationen über die Finanzen von Adel und Klerus von Bartok zu erlangen.

Als das nichts fruchtet, zieht er andere Saiten auf und interniert den Anwalt in Einzelhaft in einem Zimmer des Hotels Metropol – ohne Aussicht, geistige Anregung und menschlichen Austausch. In den spärlichen Verhören bleibt Bartok standhaft, doch droht er beinahe den Verstand zu verlieren, wenn er nicht bald ein Ziel für seinen ums Nichts kreisenden Geist findet.

Wie verfilmt man Langeweile über Wochen und Monate? Die Kamera (Thomas W. Kiennast) verfremdet die Bühne expressionistisch. Und Masucci leistet darstellerisch Erstaunliches in seiner Verwandlung vom leicht blasierten Weltmann in den beinahe entmenschlichten Gefangenen.

Es gelingt ihm, mit äußerster Mühe ein Buch zu entwenden. Wie sehr wünscht er sich Gehaltvolles, die “Odyssee” etwa. Doch er findet nur ein Schach-Buch – nichts weiter als eine trockene Darstellung etlicher Meisterpartien. Mithilfe von vom Munde abgesparten Brotkügelchen formt Bartok Figuren und beginnt, die Partien nachzuspielen. Dies betreibt er bald so exzessiv, dass er einen Zusammenbruch erleidet. Ein wohlmeinender Arzt bescheinigt ihm Unzurechnungsfähigkeit, so dass er gehen kann. Er lässt die Alte Welt hinter sich und begibt sich an Bord eines Schiffes in die Neue Welt.

Hier gelingt es dem Drehbuch, Motivzusammenhänge geschickt wieder aufzugreifen oder neu zu stiften: Bartok empfindet sich nun selbst als Odysseus auf Irrfahrt, und seine bescheidene Kajüte verwechselt er schon mal mit seiner vorigen Behausung. Dass er tatsächlich seelisch nicht unbeschadet davongekommen ist, beweisen seine fantastischen Schübe, in denen er nicht nur das bessere Früher, sondern auch sehr plastisch seine Frau (Birgit Minichmayr) imaginiert, obwohl ihr weiterer Verbleib völlig ungeklärt ist. Die “Schachnovelle” gerät zur “Traumnovelle”, Frau Bartok zur modernen Penelope.

Erzählung und Film runden sich thematisch, als Bartok schließlich unter den Passagieren auf den amtierenden Schachweltmeister trifft, der sich in Simultanpartien herausfordern lässt. Spätestens allerdings, als es sich hierbei wiederum um Gestapo-Mann Böhm handelt, wird bei den Zuschauern der Zweifel geschürt, ob es für Bartok je ein Entrinnen geben könne oder ob die gesamte Fluchtepisode nur Frucht seiner überreizten Fantasie und der diagnostizierten “Schachvergiftung” sein mag.

“Schachnovelle” ist eine ambitionierte, moderne Literaturverfilmung mit einigen intelligenten Wendungen der Originalvorlage und durchweg guten bis sehr guten Darstellern.