Im vergangenen Jahr entschieden sich 915 000 Menschen in Deutschland für die Selbstständigkeit, das ergab der KfW-Gründungsmonitor 2015. Einen stattlichen Zulauf verbucht die Altersgruppe der 45- bis 55-Jährigen: Hier stieg die Zahl der Gründer um 64 000 auf insgesamt 210 000. Bemerkenswert ist auch der mit 43 Prozent gleichbleibend hohe Anteil der Frauen, die eine selbstständige Tätigkeit vorziehen.
Was bewegt einen Arbeitnehmer Mitte 40, eine Festanstellung gegen die mitunter riskante Selbstständigkeit zu tauschen? „Viele Menschen stecken in diesem Alter in einer Umbruchphase“, sagt Katrin Klauer, Geschäftsführerin der Wiesbadener Beratung „Berufswege für Frauen“. „Vielfach reflektieren Frauen ab Mitte 30 stark ihren bisherigen Lebensweg. Was ist von meinen ursprünglichen Plänen übrig geblieben? Gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was ich täglich mache und dem, was ich mir wünsche?“ Fragen wie diese, sagt Klauer, könnten einen beruflichen Umschwung auslösen.
Auch Sylke Schröder, langjähriges Vorstandsmitglied der Ethikbank und seit Anfang 2015 selbstständig mit der Agentur „Briefstudio“ in Weimar, hat mit Ende 40 die berufliche Richtung gewechselt. „Für mich war der Schritt in die Selbstständigkeit kein Blitzschlag, der mich aus heiterem Himmel getroffen hätte. Seit Ende der 90er Jahre hatte ich die Idee, mich im Nebenberuf mit einem Briefservice selbstständig zu machen, doch dafür war nie Zeit.“
Vor allem ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Sterbebegleiterin weckte in ihr den Wunsch nach mehr Selbstbestimmung im Beruf. „Viele Menschen bereuen am Ende ihres Lebens, nicht stärker die eigenen Wünsche berücksichtigt zu haben. Das möchte ich nicht erleben.“ Also entschloss sich Schröder zu einem beruflichen Neustart.
Neben Routine, Erfahrung und einem beruflichen Netzwerk hält Karl Reiners, Bereichsleiter Existenzgründung bei der IHK Bonn, finanzielle Stärke für einen der wichtigsten Pluspunkte der „Silver“-Gründer. „Jüngere Menschen verfügen häufig noch nicht über ausreichend Geld, um sich selbstständig zu machen“, so der Experte. „Wer dagegen mit 40 oder älter die Entscheidung für einen beruflichen Neuanfang fällt, hat sich häufig mehr Gedanken auch über die Finanzierung seines Gründungsvorhabens gemacht und verfügt eher über das notwendige Startkapital.“
Katrin Klauer kennt auch andere Beispiele: „Wir beraten auch Frauen, die beim Blick in ihre Renteninformation, die sie von der Deutschen Rentenversicherung erhalten, feststellen müssen, dass sie später mit ihrem Geld nicht auskommen werden.“ Eine nebenberufliche Selbstständigkeit könne helfen, Frauen im Rentenalter abzusichern. „Vor allem für Frauen, die heute in Teilzeit arbeiten, ist das häufig eine Option, die sie gut mit ihrer Festanstellung vereinbaren können.“ Vorausgesetzt, die Familie spielt mit.
Das Private kann eine Herausforderung sein, das weiß auch IHK-Gründungsexperte Reiners. „Wer in jungen Jahren gründet, steht eher vor der Problematik, Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu müssen.“ Ganz so einfach war es für Sylke Schröder, die bei ihrer Gründung auf kleine Kinder keine Rücksicht nehmen musste, dennoch nicht. „Meinen Lebenspartner musste ich erst einmal von meiner Idee überzeugen.“ Sich gegen den Willen des Partners oder der Familie selbstständig zu machen, hält Schröder für wenig erfolgversprechend. „Ich habe die Diskussionen mit meinem Partner als wertvoll für mein Geschäftsvorhaben empfunden. Denn wie soll man potenzielle Kunden von einem Angebot überzeugen, wenn der Partner die Entscheidung nicht mitträgt?“