Weniger Standorte, bessere Versorgung: NRW ist das erste Bundesland, das Krankenhäuser nicht mehr nach Bettenzahl plant, sondern nach Leistungsgruppen. Für die Patienten bedeutet das in manchen Fällen längere Wege.
Nach sechsjähriger Vorbereitung hat Nordrhein-Westfalen einen neuen Plan für seine Krankenhauslandschaft. Damit steht fest, welches Krankenhaus künftig welche Leistungen anbieten kann. “Der neue Plan wirkt dem ruinösen Wettbewerb der Krankenhäuser um Fallzahlen und Personal entgegen, indem vor allem bei hoch komplexen Leistungen Doppel- und Mehrfachvorhaltungen abgebaut werden”, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag vor Journalisten in Düsseldorf. Zugleich werde überall im Land eine Grund- und Notfallversorgung sichergestellt.
Als erstes Bundesland richte NRW die Krankenhausplanung nicht mehr nach der Bettenzahl aus, sagte Laumann. Damit schreibe das Land Krankenhausgeschichte. Stattdessen würden 64 medizinische Leistungsgruppen mit einer bestimmten Menge an Fallzahlen auf die Kliniken verteilt. In die Planung aufgenommen wurden 308 Krankenhäuser mit 527 Standorten. Die Fallzahlen seien aber nur Richtzahlen, die Kliniken könnten bei Bedarf auch mehr machen.
Die Planung sieht laut Laumann eine schnelle Erreichbarkeit von Kliniken vor, die eine Grund- und Notfallversorgung anbieten. Mindestens 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sollen Krankenhäuser mit den Leistungsgruppen “Allgemeine Innere” (296 Standorte) und “Allgemeine Chirurgie” (274 Standort) innerhalb von 20 Autominuten erreichen können. Bundesweit gelte dafür eine Orientierungsgröße von 30 Minuten.
Für planbare Eingriffe, etwa in der Orthopädie oder Krebsbehandlung, müssten künftig längere Wege zu Spezialkliniken in Kauf genommen werden, sagte Laumann. Diese Häuser erfüllten dann aber einen hohen Qualitätsstandard. Hüft-OPs etwa gebe es künftig nur an 137 Standorten; beantragt worden seien 236. Leberkrebs werde künftig nur an 29 Standorten behandelt; die Anträge für 86 weitere Standorte seien abgelehnt worden. An 126 Standorten seien Geburten möglich und aufgrund örtlicher Gegebenheiten nur wenige Krankenhäuser dafür nicht zugelassen worden. “Die Krankenhausreform hat keine Geburtsklinik geschlossen”, so Laumann.
Die Neuregelung tritt am 1. April 2025 in Kraft. Für bestimmte Leistungsgruppen, etwa in der Kardiologie und der Orthopädie, gibt es Übergangsfristen bis zum Jahresende. Zur Umsetzung des Plans stellt die schwarz-grüne Landesregierung in der laufenden Wahlperiode rund 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Erste Förderbescheide in Höhe von rund 409 Millionen Euro hat Laumann bereits Anfang Dezember an acht Krankenhäuser überreicht.
Der Vizepräsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, Sascha Klein, sagte: “Wir sind zum Wandel bereit.” Vielerorts werde es schmerzhafte Veränderungen geben. Der Anspruch, dass die Krankenhausplanung nicht abgeschlossen und ein “lernendes System” sei, müsse mit Leben gefüllt werden. “Der Bedarf in den Regionen muss Maßstab für die Planung sein.” Dirk Ruiss vom Verband der Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen sagte stellvertretend für die Krankenkassen, die Reform sei sorgfältig austariert.
Die SPD-Fraktion erklärte, die für die Umstrukturierungen vorgesehenen 350 Millionen Euro im Landeshaushalt des kommenden Jahres reichten nicht. “Wir werden daher morgen im Landtag beantragen, ab 2025 jährlich zwei Milliarden Euro mehr den Krankenhäusern zur Verfügung zu stellen.”
Die Krankenhausreform des Bundes, die ab 1. Januar umgesetzt werden soll, hat nach den Worten von Laumann keine Auswirkungen auf NRW. “Weil wir sind da – und die sind noch im Kommen.” Zwar sei das Bundesgesetz formal in Kraft, aber es könnte bald eine politische Mehrheit für eine Änderung geben. Aber selbst wenn die Reform so komme, würde das für NRW kein neues Planungsverfahren bedeuten. Beide Modelle seien kompatibel, denn auch der Bund setze auf Leistungsgruppen. Problematisch am Bundesgesetz sei, dass die Kriterien bei den Fachärzten so hoch seien, dass Personal nicht ausreichend gewonnen und die Versorgungssicherheit auf dem Land nicht gewährleistet werden könne.
Die Bundesreform sieht vor, dass die Bundesländer ihren Kliniken bis Ende 2026 die Leistungsgruppen zuweisen. Zudem regelt das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorangetriebene Gesetz ein neues Finanzierungssystem, das 2027 und 2028 schrittweise eingeführt wird. Durch eine Vorhaltevergütung machen die Fallpauschalen künftig nur noch 40 Prozent der Vergütung aus. Die restlichen 60 Prozent bekommen die Kliniken für das Vorhalten von Leistungen wie Personal, Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik.