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Neue rechte Jugendkultur: Zwischen Skinhead-Ästhetik und Social Media

In Deutschland formiert sich Experten zufolge eine neue Generation rechtsextremer Jugendlicher. Sie knüpfen an alte Neonazi-Traditionen an, nutzen aber vor allem digitale Plattformen – und sind sehr gewaltbereit.

In Deutschland ist nach Angaben von Fachleuten in den vergangenen zwei bis drei Jahren eine neue rechtsextreme Jugendkultur entstanden. Sie habe in der Skinhead-Ästhetik teils Parallelen mit der Neonazi-Kultur der 1990er Jahre, allerdings gebe es auch deutliche Unterschiede. “Ein wesentlicher Unterschied sind die sozialen Medien und wie sie genutzt werden”, sagte Thilo Manemann, der beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie zu Rechtsterrorismus arbeitet, bei einer Fachtagung der Bundeszentrale für Politische Bildung am Freitag.

Die neu gebildeten Gruppen würden allerdings von alten Neonazi-Strukturen unterstützt. Die Politologin Andrea Röpke betonte, dass es hierzulande einen “starken, gewachsenen rechtsextremen Resonanzraum” gebe und nannte als Beispiele etwa die völkische Szene oder rechtsextreme Parteien wie “Die Heimat” und ihre Jugendgruppen. Junge Menschen, die sich neu in rechtsextremen Gruppen organisierten, würden sich als “Speerspitze” begreifen, die voranrenne und Gewalt ausübe.

Zugleich seien rechtsextreme Parolen sagbarer geworden. So sei im vergangenen Sommer etwa vielerorts auf das Lied “L’amour toujours” der menschenverachtende Ruf “Ausländer raus” gegrölt worden. Das Video, das junge Menschen dabei auf Sylt zeigt, war der Politologin zufolge das erfolgreichste Internet-Meme des Jahres. “Damit rückte auch wieder die breite jugendliche Masse in den Blickpunkt, auf die wir in der Pandemie viel zu selten geschaut haben.”

Röpke erklärte weiter: “Wir sehen eine fürchterliche Eskalation rechter Gewalt, in einer neuen Qualität.” In den Sozialen Medien würden unverhohlen rechtsextreme Parolen, Memes und Bilder geteilt. Davon berichtete auch der Journalist Julius Geiler, der für eine ZDF-Dokumentation inkognito in zwei rechtsextremen Whatsapp-Chatgruppen aktiv war. “Es waren täglich verfassungsfeindliche Parolen, Memes, Videos oder Bilder von Hitlergrüße zu sehen und zu lesen”, so Geiler. Auffällig sei zudem in der Gruppe “Der Störtrupp” die Mischung gewesen: hier seien teils minderjährige Mitglieder genauso aktiv gewesen wie erfahrene Neonazikader.

Manemann berichtet, dass online gebildete Gruppen im vergangenen Jahr Demonstrationen als Mobilisierungsmaßnahmen genutzt hätten – “mit erschreckendem Ausmaß”. Der Experte erinnerte etwa an die rechtsextreme Gegendemonstration zum Christopher Street Day im sächsischen Bautzen im August 2024. An der Demo “Gegen Gender-Propaganda und Identitätsverwirrung!!!” hatten demnach rund 700 Rechtsextreme teilgenommen. Geiler zufolge waren 2024 etliche CSD-Paraden Ziel rechtsextremer Gegendemos.

Laut Manemann hat es eine schnelle Professionalisierung der neuen rechtsextremen Szene gegeben. Demnach sind im August vergangenen Jahres erste Webshops aufgetaucht, die vor allem gewaltorientierte Produkte anböten, etwa Zahnschutz. Röpke warnte: “Wir müssen schnell agieren. Es sind nicht überall schon feste Strukturen entstanden, wir können den Großteil der Jugendlichen noch erreichen.”