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Neue Nutzung für alte Kirchen

Museum oder Wohnraum – in Berlin finden sich einige Beispiele, wie Kirchen alternativ genutzt werden

Von Bettina Gabe/epd

Berlin. Hohe Mieten und Immobilienpreise sowie ein starker Anstieg der ­In­flationsrate machen das Wohnen in Großstädten nicht nur für Haushalte mit geringem Einkommen zur Herausforderung. Für Kirchen in der ­Berliner Region stellt sich vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen gleichzeitig die Frage, wie sie ihre Gebäude erhalten können. Von den rund 2000 Kirchen der Evangelischen Kirche Berlin-­Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) werden in­zwischen 50 anders genutzt, sagt der Referatsleiter des kirchlichen Bauamts im Konsistorium der ­Landeskirche, Frank Röger. Vieles laufe über „Mietmitnutzung“, ­wenig über ­Verkauf.

Die Zwinglikirche im Berliner Stadtteil Friedrichshain wurde nach dem Brand in einer Notunterkunft für Obdachlose Mitte Dezember zur nächtlichen Ersatzunterkunft. Bis zu 100 Menschen konnten dort im Warmen schlafen. Die Kapazitäten waren binnen weniger Tage in der ansonsten als multifunktionaler Veranstaltungsort genutzten Kirche geschaffen worden. Seit 24. Dezember kann die Traglufthalle der Berliner Stadtmission nach dem Brand wieder genutzt werden.

Die Idee der Umnutzung von ­Kirchen zu Wohnzwecken stammt aus den 1980er Jahren. In die Jesuskirche im Stadtteil Kreuzberg zogen vor ­einigen Jahren Familien ein. Das ­Gebäude aus den 1960er Jahren war zuvor zu einem Wohnhaus ­um­gebaut worden. Wohnungen wurden laut Röger auch in der Lutherkirche im Bezirk Spandau ein­gebaut. „Insgesamt war das nicht wirtschaftlich und im Regelfall auch bei denkmalgeschützten ­Kirchen nicht genehmigungsfähig“, erklärt er. Ähnliche Pläne gibt es deshalb derzeit kaum. 

Kletterregal im Kirchenschiff

Inmitten eines Kreisverkehrs im Stadtteil Weißensee entstehen derzeit drei Wohnungen im Bethanienturm. Das Kirchenschiff wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und anschließend abgerissen. Unter dem Motto „Exklusives Wohnen in historischem Bestand“ sind 14 ­weitere Wohnungen in einem ­angrenzenden Neubau geplant. Das gegenüberstehende Gemeindehaus mit Kita erinnert durch seine hohen Bogenfenster seit seiner Errichtung vor rund 100 Jahren an eine Kirche.

Eine andere Form der Um­nutzung von Kirchen ist in der Eliaskirche im Stadtteil Prenzlauer Berg zu besichtigen. Dort ist seit knapp 20 Jahren das „Machmit!“-Museum für Kinder untergebracht. Rund 80000 Besucherinnen und ­Besucher pro Jahr, darunter Schulklassen, Kindergartengruppen und Familien, nutzen nach Angaben der Betreiber das „Kletterregal“ im ­ehemaligen Kirchenschiff. Sie ­beschäftigten sich dort mit Themen wie Seife, Salz, Energie, Schlaf und Träumen, aber auch dem Werk des Malers Paul Klee (1879–1940), schwedischen Kinderbuchwelten rund um Pippi Langstrumpf und Büchern als „Lebensmittel“.

Keine Lösung für Wohnungsmangel

Das Thema Abgabe sowie Um- und Nachnutzung von Kirchen­gebäuden wird nach Angaben des Sprechers des Erzbistums Berlin auch die katholische Kirche in den kommenden Jahren stark beschäftigen. Vor allem in den neuen ­Pfarreien, die durch den Zusammenschluss der vorherigen Gemeinden entstehen, gebe es ein Überangebot von Kirchen, aber auch von Gemeinderäumen, sagt Pressesprecher Stefan Förner. Doch er ist überzeugt, „dass die Umwidmung von Kirchengebäuden zu Wohnraum keine Lösung für Wohnungsmangel sein kann“.

Rund 40 Gebäude werden demnach seit 2002 nicht mehr vom Erzbistum Berlin für Gottesdienste ­genutzt. Dazu zählten Kirchen, die an andere, in der Regel christliche Glaubensgemeinschaften zur Nutzung abgegeben, verkauft oder ­verpachtet wurden, und Kapellenräume in Wohnhäusern, die nach dem Verkauf der Immobilien nicht mehr für kirchliche Zwecke zur Verfügung stehen. Die Umnutzung als Wohnraum bleibt in evange­lischen wie katholischen Kirchengebäuden in der Hauptstadtregion weiter die Ausnahme.