Ihre Bilder sind präzise lebendige Darstellungen: eine Pflanze von Faltern umflogen, Raupen kriechen an ihr hoch, am Boden ringelt sich eine Eidechse. Die Künstlerin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian (1647-1717) war eine Pionierin der Insektenkunde – und eine außergewöhnliche Frau, ihrer Zeit weit voraus. Am 13. Januar jährte sich ihr Todestag zum 300. Mal.
Merian beobachtete Insekten, züchtete sie, beschrieb und illustrierte die Entwicklungsstadien, etwa beim Schmetterling: vom Ei über Raupe und Puppe bis zum fertigen Falter. Ihren Bildern, in leuchtenden Farben gern auf hochwertigem Pergament gemalt, stellte sie erläuternde Begleittexte an die Seite.
Im 17. und 18. Jahrhundert war Blumen- und Insektenmalerei zwar ein anerkanntes Betätigungsfeld für Frauen. Aber dazu Forschung zu betreiben, so wie Merian es tat – das war neu und unerhört.
Am Raupenbuch arbeitete sie ihr ganzes Leben
Am 2. April 1647 kam sie in Frankfurt am Main als Tochter des Kupferstechers Matthäus Merian auf die Welt. Die aus der Schweiz stammende Familie betrieb eine Druckerei mit Verlag, der Matthäus Merians beliebte Städteansichten herausbrachte. Nach dem frühen Tod des Vaters wurde der Blumen- und Stilllebenmaler Jakob Marell Maria Sibyllas Stiefvater und führte die Werkstatt weiter.
Marell erkannte die Begabung des Mädchens, förderte seine Wissbegier und lehrte es Malen, Zeichnen und Kupferstechen – gegen den Einfluss der Mutter, die für die Tochter die klassische Hausfrauenrolle vorsah. Schon als Kind experimentierte Maria Sibylla mit Seidenraupen. 18-jährig heiratet sie Johann Andreas Graff, Mitarbeiter der Merianschen Druckerei, und zieht mit ihm nach Nürnberg.
Bald Mutter zweier Töchter betreibt sie im Garten der Familie intensive Naturstudien, die sie mit Bildern dokumentiert. So entsteht nach und nach Merians erstes großes Werk: „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung – Von Maria Sibylla Gräffin fleissig untersucht, kürzlich beschrieben, nach dem Leben abgemalt, ins Kupfer gestochen und selbst verlegt“.
Das Buch im Selbstverlag herauszugeben war ein finanzielles Abenteuer, das glückte. Die Arbeit am Raupenbuch begleitete Merian durch ihr ganzes Leben. Es erschien in drei Teilen, 1679, 1683 und posthum 1717, von der Tochter Dorothea Maria herausgegeben.
Immer ging Maria Sibylla Merian ihren eigenen Weg. Nach dem Scheitern der Ehe übersiedelte sie 1685 mit den Töchtern Johanna Helena und Dorothea Maria in die Niederlande, die im 17. Jahrhundert ein Anziehungspunkt für fortschrittliche Geister waren. Künstler, unorthodoxe Denker, religiös oder politisch Verfolgte fanden hier eine Heimat.
Merian, die sich zunächst einer protestantischen Gemeinschaft anschloss, sah die Chance, sich als Malerin und Naturforscherin zugleich entfalten zu können. Ihr Interesse für tropische Insekten brachte die Forscherin 1699 dazu, „eine große und teure Reise zu unternehmen, nach Surinam, um dort meine Beobachtungen fortzusetzen“, wie sie es selbst beschrieb.