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Nachruf auf Sebastião Salgado (1944-2025): Er war ein Genie mit der Kamera

Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado widmete seine Fotos benachteiligten Menschen. Er gründete das Institute Terra. Am 23. Mai 2025 ist er gestorben. Ein Nachruf von Uwe Baumann

Sebastião Salgado war ein brasilianischer Fotograf, Fotoreporter und Umweltaktivist.
Sebastião Salgado war ein brasilianischer Fotograf, Fotoreporter und Umweltaktivist.Grafik von Uwe Baumann

Es ist, als ob ein Freund im Geiste geht. Traurig nehme ich Abschied von Sebastião Salgado, einem der bedeutendsten Fotografen unserer Zeit. Sein Leben war eine unermüdliche Reise, geprägt von einer tiefen Leidenschaft für die Menschheit, die Natur und seine fotografische Wahrheit. Seine Bilder haben Generationen bewegt, inspiriert und zum Nachdenken angeregt. Mit seiner Kamera hat er die verborgenen Geschichten unserer Welt sichtbar gemacht, die unfassbar schönen Seiten, aber auch ihr Leiden und ihren Niedergang, meist verursacht von Menschenhand.

Salgados Fotografien zeigen die raue, ungeschminkte Schönheit

Sebastião Salgado wurde 1944 in Aimorés, Brasilien, geboren. Sein fotografisches Werk begann in den 1970er Jahren, doch es war sein unermüdlicher Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Schöpfung Gottes, der ihn weltberühmt machte. Seine Schwarz-Weiß-Foto­grafien zeigen die raue, ungeschminkte und vor allem ungestellte Schönheit des Lebens – von den Armenvierteln Brasiliens bis zu den entlegensten Regionen Afrikas, von den Arbeitsplätzen der dortigen Minen bis zu den unberührten Landschaften der Erde. Seine Bilder sind mehr als nur Kunst, sie sind ein Appell an unsere Menschlichkeit.

Salgados fotografische Arbeiten wie „Workers“ und „Genesis“, sind Meilensteine der Dokumentarfotografie. Mit großer Empathie und Respekt hat er die Lebensrealitäten der Menschen festgehalten, deren Leben in oft schwierigen politischen oder klimatischen Bedingungen vergessen oder verdrängt wird. Seine Fotografien fordern uns dringlich und beinahe ultimativ auf, unsere Verantwortung gegenüber der Welt und ihren Bewohnern ernst zu nehmen. Seine Arbeit wurde mit zahlreichen hochkarätigen Preisen gewürdigt, doch für ihn war die wichtigste Auszeichnung die Möglichkeit, durch seine Bilder Veränderungen anzustoßen.

Der Fotograf Salgado gründete eine Umweltorganisation zur Aufforstung

Sein Engagement ging über die Fotografie hinaus. Salgado gründete das Instituto Terra, eine Umweltorganisation, die sich der Wiederaufforstung und dem Schutz der Biodiversität in Brasilien widmet. Seine Überzeugung war, dass Bilder nicht nur dokumentieren, sondern auch heilen und verändern können.

Ein einziges Mal durfte ich ihn live erleben und ähnlich wie der französische Fotograf Henri Cartier Bresson hat er mir im Handum­drehen seine fotografische Sicht – humanistische, äußerst wertschätzende und ehrliche Bildkompositionen – vermittelt.

Viele Menschen trauern um einen Mann, der mit seiner Kamera die Welt verändert hat. Sebastião Salgado hat bescheiden aber kontinuierlich gelehrt, mit offenen Augen und Herzen zu sehen. Er führte uns die Schöpfung Gottes, die so wenig in Worte zu fassen ist, bildlich vor Augen, malte hingebungsvoll mit Licht und Schatten und er überließ uns das Denken. Darüber, ob wir all das göttlich Geschenkte weiter ausbluten lassen, oder uns ernsthaft aufmachen, Flora und Fauna zu bewahren. Sein Vermächtnis wird weiterleben – in den Bildern, die er hinterlässt, und in den Herzen all jener, die durch seine Arbeit berührt wurden. Ein großer Lichtmaler, ein Poet, Mahner und Mensch, ein Genie mit Kamera ist gegangen. Für den Moment eines Augenblickes blieb die Welt stehen.

Uwe Baumann ist Wirtschaftswissenschaftler, freier Journalist und Mediamatiker in Berlin.