Die Zeremonie dauert nur rund eine halbe Stunde. Es sei das Recht des jüdischen Volkes, seine Geschichte selbst zu bestimmen, verliest David Ben-Gurion, Oberhaupt der provisorischen Regierung Israels, am 14. Mai 1948 im Museum von Tel Aviv: „Demzufolge haben wir, die Mitglieder des Nationalrats, als Vertreter der jüdischen Bevölkerung und der zionistischen Organisation, heute, am letzten Tage des britischen Mandats über Palästina, uns hier eingefunden und verkünden hiermit kraft unseres natürlichen und historischen Rechts und aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel.“
Der Gründung eines jüdischen Staats geht eine längere Geschichte voraus. Das „Baseler Programm“ der Zionistischen Weltorganisation hatte 1897 als zentrales Ziel eine „Heimstätte in Palästina“ für Juden gefordert. In der Folge wanderten immer mehr Juden gen Heiliges Land aus.
Die Briten versprachen während des Ersten Weltkriegs die Region Palästina gleich zwei Parteien: Dem Scherifen von Mekka, Hussein, sagten sie 1916 die Gründung eines arabischen Großreichs zu. Dem Präsidenten der Englischen Zionistischen Föderation, James de Rothschild, stellten sie 1917 „die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk“ in Aussicht. Zugleich vereinbarten Großbritannien und Frankreich, Teile des Osmanischen Reichs – zu dem das Gebiet Palästina gehört hatte – nach dem Krieg unter sich aufzuteilen.
Gründung einer Miliz
Im Friedensvertrag mit dem Osmanischen Reich stand dann nur noch die Aussicht auf eine jüdische Heimstätte, von einem arabischen Reich war keine Rede mehr. Und Großbritannien erhielt vom Völkerbund am 24. Juli 1922 das Mandat zur Verwaltung Palästinas.
Zu diesem Zeitpunkt machten Juden schon mehr als elf Prozent der Bevölkerung in dem Gebiet aus. Unruhen muslimischer und christlicher Araber richteten sich sowohl gegen zionistische Siedler als auch gegen die britische Mandatsverwaltung. Bei einem Massaker in Hebron 1929 starben Dutzende Juden.
Bereits 1920 hatte sich in Form der Haganah eine jüdische Miliz gegründet. Zuerst diente sie nur der Verteidigung jüdischer Siedlungen gegen arabische Angriffe, später griff sie auch Araber und die britischen Behörden an. Noch radikalere Organisationen verübten Terroranschläge.
Auch nach 1945 abgelehnt
Großbritannien schränkte Ende der 1930er Jahre die jüdische Einwanderung ein. Erst 1942 nahm es unter dem Eindruck des NS-Massenmords verstärkt jüdische Flüchtlinge aus Europa in ihrem Mandatsgebiet Palästina auf, der jüdische Bevölkerungsanteil stieg dort bis 1947 auf mehr als 30 Prozent.
Nach der Schoah, so eine verbreitete Auffassung, habe die Welt die Gründung eines jüdischen Staats nicht mehr ablehnen können. Der Historiker Michael Wolffsohn, vor seiner Emeritierung an der Bundeswehr-Universität in München, hält das jedoch für eine Legende: „Tatsache ist, dass die Welt auch nach 1945 zunächst durchaus noch ‘nein’ gesagt hat.“ Vor allem Großbritannien habe nach wie vor abgelehnt.
„Bis 1947 hatten die Gründer Israels schließlich die Briten aus Palästina im wahrsten Sinne des Wortes hinausgebombt“, erklärt Wolffsohn. „Im Februar 1947 warf die britische Regierung das Handtuch und übergab das von ihr nicht gelöste Problem den Vereinten Nationen.“
Die UN-Resolution 181 (II) vom 29. November 1947 sah eine Dreiteilung Palästinas vor – in einen arabischen und einen jüdischen Staat sowie Jerusalem als neutrale Stadt. Die arabischen Staaten und die Palästinenser lehnten den Plan jedoch ab, kurz nach dem UN-Beschluss brachen Kämpfe aus. Die Haganah versuchte, nicht nur die laut Teilungsplan jüdischen Gebiete, sondern auch die jüdischen Siedlungen im arabischen Teil militärisch zu sichern. Wieder kam es zu Massakern, in dem arabischen Dorf Deir Jassin starben 250 Menschen, es folgten Racheaktionen.
Für den israelischen Historiker und Journalisten Tom Segev liegt in dem Umstand, dass beide Seiten sich nur als Opfer sähen, der Kern des Nahostkonflikts. Kriegsverbrechen habe es auf beiden Seiten gegeben, sagt der Sohn deutscher Eltern. „Und das ist einer der Gründe, warum ein Ausgleich in absehbarer Zeit nicht möglich ist“, erklärt Segev. Es gehe in dem Konflikt gar nicht so sehr um Land, sondern um Identität: „Jeder Kompromiss würde bedeuten, dass beide Seiten einen Teil ihrer Identität abgeben müssten.“
Katastrophe für die Palästinenser
Nach der Proklamation Israels schreibt Ben Gurion, nun Ministerpräsident, in seinem Tagebuch von tanzenden Menschen in den Straßen Jerusalems. Er selbst ist weniger froh gestimmt, denn er wisse, was jetzt komme, schreibt er: „Krieg mit allen arabischen Armeen“.
So kommt es auch. Nur Stunden nach der Proklamation greifen die benachbarten arabischen Länder den neuen Staat an. Israel siegt militärisch, nach mehr als 10.000 Toten auf beiden Seiten. Etwa 800.000 Palästinenser fliehen oder werden vertrieben. „Nakba“ (Katastrophe) nennen sie die Geschehnisse nach der israelischen Staatsgründung.
Mehrere kurze Kriege folgen in den kommenden Jahrzehnten, in denen Israel weitere Gebiete besetzt. Bis heute ungelöst sind auch die Fragen nach der Zukunft der palästinensischen Flüchtlinge und dem Status von Jerusalem, viele arabische Staaten und palästinensische Organisationen erkennen die Existenz Israels gar nicht erst an.