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Mord, Spannung, Tradition – Der Krimi-Boom in Deutschland

Die Welt kann untergehen, wenn man einen Krimi liest, und man bemerkt es nicht, weil er so spannend ist. Warum sind Krimis so beliebt? Ein Blick in die Werkstatt unter anderem von Autor Klaus-Peter Wolf.

Krimis gehören in Deutschland seit Jahrzehnten für sehr viele Menschen zum Leben – sei es im Fernsehen, im Radio, auf der Bühne und vor allem im Buchregal. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gibt an, dass im vergangenen Jahr der Umsatzanteil im Bereich Spannung bei 21,5 Prozent lag. Tendenz steigend.

Es gibt sogar einen Krimitag, der am 8. Dezember im gesamten deutschsprachigen Raum begangen wird. Ins Leben gerufen hat ihn das Syndikat, der Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur, in dem mehr als 800 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert sind. Der Aktionstag erinnert an den Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser (1896-1938), nach dem auch ein deutschsprachiger Krimipreis benannt ist.

Warum lieben Menschen Krimis so sehr? Die Gründe dafür sind vielfältig. Cornelia Hüppe, Mitglied in der Jury des Deutschen Krimipreises und Inhaberin der Berliner Krimibuchhandlung “Miss Marple”, erklärt das damit, dass das Lesen von Krimis ein aktives Lesen sei: “Man rätselt, wer der Täter, die Täterin sein könnte, überlegt die Motive.” Außerdem könne man beim Lesen eines Krimis gut entspannen.

Christian Koch weist auf die Vielfalt an Kriminalromanen hin, die ein großes Spektrum an Themen abdecken. Koch, ebenfalls Mitglied in der Jury des Deutschen Krimipreises und Inhaber der Berliner Krimibuchhandlung “Hammett”, meint außerdem, dass das ewige “Gut gegen Böse” wohl nie seinen Reiz verliere.

Klaus-Peter Wolf, Krimi-Bestseller-Autor und Erfinder der Ostfriesland-Krimis, ist gerade vom Marktforschungsunternehmen Media Control mit dem Premium Award als erfolgreichster Krimiautor 2024/25 in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgezeichnet worden. Er hält die Kriminalliteratur für “die eigentlich gesellschaftsrelevante Literatur dieser Zeit”.

Seiner Meinung nach ist gute Kriminalliteratur keine Fotografie der Wirklichkeit, sondern ihr Röntgenbild. “Wir steigen hinab in die Abgründe der menschlichen Seele und erkennen uns vielfach selbst in unseren Nöten, Ängsten und Irrtümern. Wir spüren den Wahnsinn, der uns manchmal umgibt”, so Wolf.

Das Syndikat hat auf der Buchmesse in Leipzig im Februar eine kleine Umfrage gestartet, die im Krimi-Magazin “Thrill” veröffentlicht wurde. Welche Aspekte für die Leserinnen und Leser am wichtigsten sind: Glaubwürdig und regional sollen die Krimis sein. Blut muss dagegen eher nicht in Strömen fließen.

Glaubwürdig und regional – damit diese Krimizutaten stimmen, tun die Autoren einiges. “Bei mir gibt es alles – jeden Baum, jedes Haus. Jedes Stück Kuchen, das im Café gegessen wird, habe ich vorher probiert”, sagt Klaus-Peter Wolf. “Man kann zum Beispiel ins ‘Café ten Cate’ gehen und dort an dem Tisch Baumkuchen essen, an dem der Serienkiller Dr. Bernhard Sommerfeldt seine Frau kennengelernt hat”, so Wolf unter Verweis auf seine Ostfriesland-Krimis. Für ihn sind gute Kriminalromane in Zeit und Raum immer klar verortet.

Viele erfolgreiche Krimis werden in einer Serie fortgeführt, wie zum Beispiel auch die Eberhofer-Krimis von Rita Falk. “Ich höre immer von meinen Leserinnen und Lesern, dass sie auf die neuen Bücher warten, um die ‘alten Bekannten’ in Niederkaltenkirchen zu treffen”, so Falk, deren Krimis um den niederbayrischen Provinzpolizisten Franz Eberhofer regelmäßig zu Bestsellern und für das Fernsehen verfilmt werden. Sie freut sich darüber, dass viele, die zu ihren Lesungen kommen, mittlerweile ihre Kinder oder Enkel mitbringen.

Buchhändler sind glücklich mit Krimiserien. So könne sie Kunden binden, sagt Hüppe von der Krimibuchhandlung “Miss Marple”. “Außerdem macht es auch Spaß, die Protagonisten in ihrer Entwicklung zu begleiten.”

Wenn Krimis richtig erfolgreich sind, dann wollen die Leserinnen und Leser auch an den Ort des Geschehens reisen. In Venedig werden inzwischen sogar spezielle Touren angeboten, auf denen Fans den Spuren von Commissario Guido Brunetti folgen können. Seit die US-Autorin Donna Leon ihren Ermittler Anfang der 1990er Jahre durch die Lagunenstadt streifen ließ, gilt Brunetti als Deutschlands liebster Italiener. Im ostfriesischen Norden kann man im Krimimuseum den Arbeitsplatz von Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen aus Wolfs Ostfriesland-Krimis besichtigen.

Oder in Frontenhausen im Eberhofer-Kreisel Runden drehen. Doch scheint es einige zu geben, die in dem kleinen ostbayerischen Ort nicht nur Leberkässemmeln essen, sondern den Baum im Kreisel im Visier haben. Einer wurde gefällt, ein neuer attackiert. Da war dann die “echte” Polizei gefragt.