In der Flagge der Philippinen steht die Farbe Rot für Mut, Tapferkeit, Ritterlichkeit und Entschlossenheit. So gesehen, ist die 80-jährige Ordensschwester Mary John Mananzan eine echte Filipina. Zeit ihres Lebens setzt sich die Missionsbenediktinerin für Bildung und die Rechte der Frauen ein. Sie arbeitet als Lehrerin, Dekanin, leitete sechs Jahre das St. Scholastica‘s College, eine der größten Mädchenschulen in Manila und prägt die Arbeit von einer Vereinigung von Theologinnnen und Theologen der Dritten Welt. Auf ihre Initiative entstand das Institut für Frauenstudien in Manila, deren Direktorin sie ist. Schwester Mary John ist weltweit vernetzt. Befragt nach ihrem stärksten Credo, sagt sie sehr entschieden: „Ich bin eine betende und wirkende Mystikerin, und das ist für mich kein Widerspruch.“
Eine betende und wirkende Mystikerin
Frauen auf den Philippinen, auf denen sich 81 Prozent zur römisch-katholischen Konfession bekennen, lebten in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft, zur Genderpolitik gehöre die Aufklärung der Männer. In bisher 500 Seminaren hat sie mit Männern zur Gleichberechtigung der Geschlechter gearbeitet. Begonnen hat sie mit Professoren, Polizisten, Seminaristen, Priestern. Es sei nicht die Natur des Mannes, Frauen zu unterdrücken, es sei die Prägung durch die patriarchalische Gesellschaft. „Ich habe ihnen gesagt, über Generationen wird an euer Unterbewusstsein weitergegeben, ihr hättet ein absolutes Recht auf den Leib und Geist der Frauen“, berichtet sie. Nur so sei Vergewaltigung möglich. „Die Männer, die die Kurse besucht haben, waren befreit, sie haben erlebt, auch sie dürfen menschlich sein, zart.“ Mary Johns dunkle Augen schimmern warm, wenn sie erzählt. Man nimmt ihr dennoch sofort ab, dass sie sich auch mit ihrer eigenen Kirche anlegt, wenn sie sagt, das Frauen bessere Priesterinnen als Männer wären, weil sie weniger engstirnig seien.
Schwester Mary John nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie über moderne Sklaverei spricht. Auch wenn das Land wirtschaftlich zu den aufstrebenden Next Eleven gehört, arbeiten zehn Millionen Filipinos als Gastarbeiter im Ausland. Die Mehrheit sind Frauen, die mit ihrem Lohn als Krankenschwester, Hausangestellte, Kindermädchen oder im Service ihre Familien in der Heimat unterstützen. Im Jahre 2009 waren es 17 Milliarden Dollar, die per Überweisung aus dem Ausland in die Präsidialrepublik gingen. „Die Kinder der Frauen, die ins Ausland gehen, bleiben bei den Großeltern zurück, viele Familien zerbrechen, die Schüler, die in unseren Schulen zu psychologischen Beratungen kommen, sind zu 90 Prozent Kinder, deren Eltern im Ausland leben“, sagt Schwester Mary John.
Viele Frauen machen Knochenjobs
In einer eigenen Fernsehshow hat die Ordensfrau Schicksale von Frauen vorgestellt, die im Ausland misshandelt wurden. „Einer dieser Vorfälle passierte in Riad, Arbeitgeber vergewaltigten ihre philippinischen Angestellten, sie entkamen, flohen auf eine Polizeistation“, berichtet Schwester Mary John. Dort seien sie erneut vergewaltigt und zum Konsulat gebracht worden, wo man ihnen ein Rückflugticket anbot unter der Bedingung, zu Hause als Prostituierte zu arbeiten. „Die Ehemänner haben sie verlassen, die Frauen kümmern sich um ihre Kinder, Arbeit hatten sie nicht“, sagt die 80-Jährige.
Über das katholische Missionswerk „Missio“ wurde beispielsweise ein Projekt ins Leben gerufen, die Frauen eröffneten mit einem kleinen Kredit einen so genannten Sari-Sari-Shop, einen Kiosk. „Darüber bin ich sehr glücklich“, sagt sie. Doch die eigentliche Ursache der Migration ist ökonomischer Natur. Ein Viertel der Bevölkerung lebt in extremer Armut – Wolkenkratzer und Slums in großer Nähe geben ein Bild der Zerrissenheit der Gesellschaft. Frauen gingen ins Ausland, um ihre Familien zu ernähren. „Mehr Arbeitsplätze zu schaffen, ist politisch nicht gewollt, über die Philippine Overseas Employment Administration (POEA) ist die Regierung an der Arbeitsmigration beteiligt“, sagt Schwester Mary John. Im Ausland würden den Frauen meist die Pässe weggenommen, manche machten Knochenjobs, immer wieder würden Frauen vergewaltigt, das sei moderne Sklaverei.
Präsident Duertes „Drogen-Krieg“ mit über 7000 Todesopfern bringt die Pilippinen immer wieder in die Schlagzeilen. „Ich bin für Krieg gegen Drogen, aber mit anderen Methoden“, sagt Schwester Mary John. „Die Kirche hat Hilfe und Beratung angeboten, Selbstjustiz durch Polizisten und Privatpersonen keine Wahl“, so die engagierte Ordensfrau.
Das weibliche Selbstbewusstsein zu stärken, dafür sitzen auf den Philippinen Bäuerinnen, Arbeiterinnen und Frauen aus Slums auf der Schulbank. „Die Frauenbewegung auf den Philippinen ist stark, in ‚Gabriela‘, dem nationalen Frauen-Dachverband, sind alle vernetzt, wir sind weit gekommen, aber wir haben noch einen weiten Weg“, zieht Schwester Mary John Mananzan Bilanz.