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Mit päpstlicher Bulle und der Jungfrau Maria gegen Stierhatz

Das Stiertreiben im spanischen Pamplona zieht Jahr für Jahr Hunderttausende Touristen aus der ganzen Welt an. Doch Aktivisten wollen dem blutigen Brauch ein Ende setzen – und berufen sich auf päpstliche Vorgaben.

Am Sonntag ist es wieder so weit: Im nordspanischen Pamplona starten die Fiestas de San Fermín, das international wohl bekannteste Volksfest Spaniens, das vor allem wegen seiner Stierrennen weltberühmt wurde. Auch in diesem Jahr werden zu dem neuntägigen Stadtfest wieder weit mehr als eine Million Besucher erwartet.

Doch seit Jahren nehmen auch die Proteste gegen das blutige Spektakel zu. In diesem Jahr stellen die Tierschutzorganisationen AnimaNaturalis und PETA ihre Protestaktionen gar unter ein religiöses Motto: “Stierkampf ist Sünde”. Im Zentrum der Aktionen wird am Samstagvormittag eine Performance vor dem Rathaus stehen, in der eine Darstellerin als “Jungfrau Maria” einen blutenden Jesus Christus mit Stierhörnen in den Armen hält. Ihr zu Füßen sollen Hunderte halb nackte und mit künstlichem Blut übergossene Aktivisten liegen, die ebenfalls Stierhörner tragen.

Die Tierschützer haben bewusst diesen provokanten Ansatz gewählt, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen. “Einerseits, weil es sich beim Stadtfest um ein Fest mit katholischen Wurzeln handelt. Andererseits werden die Festlichkeiten und damit auch die Stierrennen und Stierkämpfe von der katholischen Organisation Casa de la Misericordia mitveranstaltet”, erklärt Aida Gascón.

“Es ist inakzeptabel, dass eine religiöse Wohltätigkeits-Institution vom Leiden der Tiere profitiert und dabei sogar gegen alte päpstliche Bullen verstößt, die diese Barbarei verurteilten”, sagte die Vorsitzende von AnimaNaturalis der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das “Haus der Barmherzigkeit”, so der Name der Institution, die sich in Pamplona vor allem um die Betreuung älterer Menschen kümmert, “sollte Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen zeigen und sich von dieser auf Folter basierenden Finanzierungsquelle abwenden”, fordert die Aktivistin. Der grausame Brauch sei mit dem christlichen Glauben unvereinbar.

Immer wieder berufen sich Tierschützer auf eine Bulle von Papst Pius V. aus dem Jahr 1567. Tatsächlich wurden darin Stierkämpfe unter Androhung von Strafe verboten. Allerdings ging es dabei weniger um Tierschutz als um kirchenpolitische Angelegenheiten. Entsprechend wurde das päpstliche Verbot noch im selben Jahrhundert wieder aufgehoben.

Ohnehin werden die geplanten Protestaktionen kaum verhindern, dass am Sonntag mit dem traditionellen “Chupinazo”, dem Abfeuern einer kleinen Rakete vom Rathausbalkon, die erste Stierhatz der neuntägigen Feiern beginnt. Die sogenannten Sanfermines sind dem Stadtheiligen Fermín gewidmet und werden in Pamplona bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts immer Anfang Juli gefeiert.

Die blutige Fiesta in der Region Navarra spült viel Geld in die Kassen. Hotels und Ferienwohnungen sind zu mehr als 95 Prozent ausgebucht. Die Restaurants und Kneipen sind voll. Die Besucher kommen aus ganz Spanien, aber auch aus dem Rest der Welt; vor allem aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Australien, Japan und den USA. Schon 1926 machte der US-Schriftsteller, Literatur-Nobelpreisträger und Stierkampf-Fan Ernest Hemingway die Hatz von Pamplona mit seinem Roman “Fiesta” weltberühmt.

Neben Konzerten, religiösen Prozessionen und anderen Veranstaltungen stehen im Mittelpunkt der Feierlichkeiten zweifellos die Stierrennen, die bis 14. Juli stattfinden und jeden morgen live im Staatsfernsehen TVE übertragen werden. Abends werden die sechs Stiere, die täglich mit Zigtausenden Läufern durch die engen Gassen von Pamplonas Altstadt getrieben werden, in der Stierkampfarena getötet. Bei den Rennen werden regelmäßig Dutzende Personen verletzt. Vor allem betrunkene Ausländer ohne Erfahrung werden oft von den Tieren auf die Hörner genommen und dabei mitunter getötet.

Aida Gascón weiß, dass es schwer wird, die populäre Tradition zu beenden. Dennoch gebe es Zeichen der Hoffnung, meint sie: Pamplonas neuer Bürgermeister, der linksnationalistische Joseba Asiron, hat eine Bürgerbefragung über die Fortführung der Stierrennen und Kämpfe vorgenommen, die bald veröffentlicht werden soll. Das Ergebnis will er mit einer bindenden politischen Entscheidung umsetzen.

“Hier ist unsere Chance, die Sanfermines in ein Fest ohne Tierquälerei zu verwandeln”, sagt Gascón und weist auf eine in ihren Augen wachsende Ablehnung des Stierkampfs in Spanien hin, die sich in Umfragen widerspiegele. “Die Daten sprechen eine klare Sprache: Der Stierkampf befindet sich im freien Fall”, betont sie. Gascón und ihre Mitstreiter setzen vor allem auf junge Menschen, die mit dem Brauch deutlich weniger anfangen können als ältere Generationen.